Korea-Reiseberichte
Koreainfo


Nachfolgend eine sehr interessante plastische Schilderung einer China- und Nordkoreareise
aus dem Jahr 2000

Autor: Andreas Niederdeppe, Heiligenhaus

Anmerkung:
ungekürzte, unveränderte Originalfassung mit freundlicher Genehmigung von Andreas Niederdeppe
Für den Inhalt und die Linkhinweise ist der o.g. Autor selbst verantwortlich.



    China-Korea-Reise mit Besuch bei CRI  (China Radio International, Anmerkung vom Webmaster)

    Der Südeuropäer, der neben mir im Flugzeug Platz nimmt, verkauft
    seit einigen Jahren Sanitäreinrichtungen in China, dem Land mit
    rund 1,2 Milliarden Einwohnern, und ist mit gut gemeinten
    Hinweisen schnell bei der Sache: "Sie sollten beachten, dass die
    Chinesen grundsätzlich keine Sünde von Geburt an kennen und
    sich daher anders verhalten als wir. Adam und Eva gibt es dort
    nicht, denken Sie daran!" Nach mehrmonatiger Vorplanung sitzt
    Hörerfreund Klaus Winter mit mir in der Air France-Maschine, die
    täglich Peking ansteuert. Das Flugzeug ist voll ausgebucht, so
    dass ich als "Notsitz" in der Business Class Platz nehmen darf.
    Morgens in der Hauptstadt der V.R. China angekommen, gehen wir
    durch Straßen, die europäischen Wochenmärkten mit speziellen
    Ergänzungen ähneln: Neben den Verkäufern frisch geschnittener
    Ananas schreitet der Barbier zur Tat, und gegenüber gibt es,
    bedarfsgerecht, Sonnenbrillen und Limonade in Dosen. Von
    staatlichen Läden, die an Osteuropa vor 1989 erinnern, ist hier, im
    Schatten der Werbung für schwarze Brause und weiche
    Frikadellenbrötchen aus dem anderen Kontinent, nichts zu
    entdecken. Vielleicht sollten wir uns doch erst das staatliche
    Rundfunkprogramm anhören, um zu erkennen, dass fremde Kultur
    unter einem Bann steht? Nein, die FM-Sender für junge Hörer
    spielen die aktuellen englischsprachigen Platten, die uns noch aus
    Deutschland im Ohr klingen. Die Titel überschneiden sich, sofern -
    wir gewöhnen uns schnell daran - keine Werbeunterbrechung
    erfolgt. Neben der Mittelwellenfrequenz von 900 kHz sendet der
    deutsche Inlandsdienst von "China Radio
    International" auf 88,7 MHz sein vierstündiges Programm mit einer
    Leistung von 10 kW. Zielgruppe sind deutschsprachige Ausländer
    und inländische Deutschliebhaber, wie es offiziell heißt. Die
    Sendungen sollen positiv, heiter und unterhaltsam wirken und
    werden zweisprachig ausgestrahlt. Fester Bestandteil ist der
    Deutschkurs. Förderlich zum Erlernen der deutschen Sprache sind
    neben den live gesprochenen Stundennachrichten auch die
    Programmbausteine "Deutsche Volkslieder" und "Deutsche
    Schlager". Gelegenheit, das Programm zu verfolgen bleibt keine -
    der zeitlich gesehen längste Teil der Reise steht uns noch bevor.

    Wir wollen nicht lediglich die Hauptstadt sehen, sondern
    entschlossen uns vorab, eine rund 24stündige Zugfahrt durch Nord-
    Ost-China zu unternehmen, um schließlich auf der koreanischen
    Halbinsel unser Bettuch aufzuschlagen. Vor dem Pekinger Bahnhof
    bietet uns ein Mann an, die Koffer auf die andere Straßenseite zu
    bringen. Diese Dienstleistung mit dem Handkarren soll soviel
    kosten, wie die zehnminütige Taxifahrt vorher. Für die Hälfte des
    Preises geht es schließlich doch; der Kleinunternehmer
    schmunzelt selbst über seine Versuche, die Marktwirtschaft
    auszukosten. Doch zugegeben: Alleine hätten wir uns mit unserem
    Gepäck nicht quer über die mehrspurige Straße gewagt. Vor dem
    Bahnhof sprechen uns verschiedene Leute an, die es wohl alle nur
    gut mit uns meinen. Auf wen sollen wir hören, wo ist der richtige
    Eingang? Wir lernen auf diese Weise den Großteil des Bahnhofes
    kennen und befinden uns knapp eine Stunde später noch gerade
    rechtzeitig am richtigen Ausgang. In der "weichen Klasse" des
    Schlafwagens teilen wir unsere Räumlichkeit mit einem indischen
    Diplomaten und einem nordkoreanischen Handelsbeauftragten aus
    Dubai. Wir entgehen schnell den leuchtenden Großstadtreklamen
    und fahren an einfachen Dörfern vorbei, die in keinem Reiseführer
    verzeichnet sind. Während wir mit dem Zug an den Gärten der
    Dorfbewohner vorbeifahren, unterhalten sich diese über Ihre
    Gartenzäune hinweg oder bestellen die Felder mit Hilfe einer
    Pferdestärke. Der Schlaf gestaltet sich, wenn auch ohne Heizung,
    aufgrund der Müdigkeit
    einfacher als gedacht. Zuvor galt es die zwei Wascheinrichtungen
    effizient zu nutzen. Die vor der Reise von Arbeitskollegen
    erhaltenen Warnhinweise bezüglich der chinesischen "Stillen
    Örtchen" wurden durch die Realität noch übertroffen. Die zwei 00-
    Einrichtungen der nordkoreanischen Kurswagen sind zwar kaum
    neueren Datums, jedoch tadellos sauber! Wir lassen vorurteilsfrei
    alles auf uns zukommen, so hatten wir es uns ausgesucht. Hatte
    ich das Herunterhandeln der Preisforderungen bereits praktiziert,
    so fällt mir die mehrfache Überzahlung im chinesischen
    Speisewagen, in dem es Reis mit Gemüse, Wurst und
    Hühnersuppe gibt, erst auf, als der Kellner auf sofortige
    Vorauszahlung des auf einem Taschenrechner eingetippten
    Betrages besteht. Ich sage nichts, bin ich doch selbst schuld,
    mich nicht schnell genug auf das hiesige Geschäftsgebaren
    eingestellt zu haben. Das nächste Mal!

    Nach der Grenzstadt Dandong verlassen wir China, und unsere
    zwei Kurswagen fahren über eine Brücke nach Sinuidschu in
    Nordkorea und halten dort zweieinhalb Stunden. Die zwei
    deutschen Reisenden sind schnell im ganzen Zug bei den
    Grenzbeamten bekannt. Interessiert guckt man in unser Abteil und
    fragt, ob wir Russisch sprechen. Nach dem sechswöchigen
    Koreanischkurs in Bochum ist eine Grundverständigung möglich.
    Die Gepäckkontrolle verläuft höflich aber sehr gründlich. Bei den
    koreanischen Reisenden wird noch intensiver nachgeschaut,
    welche Veröffentlichungen eingeführt werden. Wider Erwarten wird
    nicht grundsätzlich eingezogen. Vielmehr wird nach Gründen der
    Einfuhr gefragt. Die Zeitschriften werden registriert und mit einem
    Zollstempel versehen wieder ausgehändigt. Natürlich werden die
    Koreaner nur solche Hefte einführen, für die sie eine dienstliche
    Rechtfertigung haben. Vielfach bestätigt sich der Eindruck, dass
    die Kontrolleure ihrer Neugierde Rechnung zollen, werden doch hier
    neuste Waren aus dem Ausland eingeführt. Wir erspähen
    elektrische Rückenmassagegeräte, farbige Haartrockner usw. Das
    Mittagessen wird uns ins Abteil gereicht. Der Gemüsereis in
    Spiegelei gehüllt kostet US$ 1.50. Wir können hier getrost unseren
    Vorsatz des Herunterhandelns ablegen. Hier scheint es der
    "Kollegin Kellnerin", so die Anredeform, undenkbar, einen
    Differenzbetrag für das eigene Konto zu verbuchen. Doch die US$ 5
    weist sie ab. Kein Wechselgeld. Kurz entschlossen bestellen wir
    zwei Flaschen Bier dafür. Nach einigen Minuten erhalten wir die
    zwei Flaschen zusammen mit zwei Schokoriegeln. Selbst ein
    Kleinstbetrag von vielleicht US$ 0.30 wird höchst korrekt zu
    unseren Gunsten verwandt. Gut zu wissen, dass wir uns mit dem
    Wort "Komapsumnida" auf höfliche Weise bedanken können.

    Links und rechts der Gleise sehen wir in der hügeligen und felsigen
    Landschaft wiederholt die Erfolge bei der Zucht von Bergziegen, mit
    der 1997 begonnen wurde. Die Schweiz stand hier Pate. Da kaum
    Regen fiel, ist das Abgrasen keine einfache Angelegenheit.
    Übrigens werden dort, wo keine Traktoren eingesetzt sind, keine
    Pferde, sondern Ochsen zur Feldbestellung herangezogen. Dies
    war auch in Süd-Korea vereinzelt zu sehen, während die Chinesen
    mit Pferden arbeiten. Im Pjöngjang-Hotel eingetroffen gewöhnen wir
    uns schnell an die drei Zeiten für Heißwasser. Die Verpflegung wird
    abwechslungsreich mit den vorhandenen Mitteln gestaltet. Neben
    den bestellten heimischen Gerichten, können wir auch spontan
    europäische Speisen bestellen. Die Reisebetreuer, an die wir so
    viele Wünsche richten, dass sie bis an die Leistungsgrenze für uns
    Termine vereinbaren, Fahrkarten organisieren, Telefonnummern
    ermitteln und Passangelegenheiten regeln, ermöglichen uns
    tatsächlich innerhalb von vier Tagen den Besuch der Germanistik-
    Abteilung der Kim-Il-Sung-Universität. In perfektem Hochdeutsch
    unterhalten wir uns mit den Professoren und Angestellten über die
    Stellung der deutschen Sprache. Etwa 50 Studenten sind
    eingeschrieben und wir besuchen eine Vorlesung. Interessiert
    fragen die Studenten nach unseren Berufen und Reisezielen. Über
    die Unterstützung Deutschlands zeigen sich die Mitarbeiter
    enttäuscht. Wir möchten Lehrbücher sehen und lesen dort von
    Kombinaten und Volkseigenen Betrieben. Ob es im Interesse des
    wiedervereinigten Deutschland liegt, den Studenten das Weltbild
    aus DDR-Sicht zu vermitteln? Die wenigen neuen Sprachkassetten
    von "Inter Nationes" aus Bonn sind hier im
    Dauereinsatz, eine Neubestellung ist noch in Bearbeitung.
    Kooperationen mit deutschen Hochschulen gibt es nicht. Ich frage,
    ob nicht eine Isolation von koreanischer Seite aus mit zu dieser
    Lage beitrage. Der Professor lacht und sagt, die Germanistik
    könne man doch nicht isolieren. Es gehe hier um Wörterbücher
    usw. "Bitte vergessen sie nicht", sagt er uns zur Verabschiedung,
    "dass es auch in Pjöngjang Studenten gibt, die ihre Sprache
    erlernen!" Wir suchen noch die Vertretung des "Ostasiatischen
    Vereins" aus Hamburg auf, die große deutsche Unternehmen
    repräsentiert. So wurden Straßenbahnen aus CSSR-Produktion,
    die in Leipzig und Dresden über die Gleise rollten, hier mit eigener
    Farbgebung zu neuem Leben erweckt. Ferner empfängt man uns
    im Isang Yun Musikinstitut mit einem Konzertsaal, der 600 Plätze
    bereitstellt. Das Ensemble gastierte mit Unterstützung des
    Auswärtigen Amtes im Mai 1999 in der Bundesrepublik. Der Leiter
    berichtet uns lebhaft von seinen positiven Eindrücken, die er in
    Deutschland von den Zuschauern sowie von Land und Leuten
    gewann.

    Wir gehören zu den ersten europäischen Reisenden, die in die vor
    drei Jahren entdeckte Tropfsteinhöhle, nördlich der Hauptstadt
    gelegen, hinabsteigen. Die Wände sind hier verschiedenfarbig
    beleuchtet, auch wenn die Stromversorgung nicht allzu konstant
    ist. Als Naturattraktion schauen wir uns als nächstes das
    Myohyang-Gebirge mit mehrstufigen Wasserfällen an, das im
    Monat April z. T. noch schneebedeckt ist. Wir sind die einzigen
    Gäste im Berghotel, da wir uns bewusst nicht für das neue und
    moderne Großhotel entscheiden. Wir ziehen die traditionell
    eingerichteten Räume vor. Auch die Bedienung im Speisesaal ist
    hier familiärer. So stellen wir uns zu einem Foto mit der Bedienung
    auf. Freilich, das Touristen-Areal ist von der Hauptstraße aus nur
    mit Zutrittsberechtigung zu betreten. Bevor unser Übersetzer am
    nächsten Tag die Parteizeitung lesen kann, sagen wir ihm, was es
    neues in seinem Land gibt. Er ist völlig verwundert, kennt er doch
    nicht die Deutschsendung von Radio Pjöngjang, die Klaus um
    03:00 Uhr Ortszeit einschaltet, was sich aufgrund der
    siebenstündigen Zeitverschiebung unproblematisch gestaltet. Die
    Deutsche Welle bringt die nötigen Ergänzungen, und wir lauschen
    mittels Siemens RK-777 den Planungen für das bereits in die
    Geschichte eingegangene Gipfeltreffen zwischen Generalsekretär
    Kim Jong-Il und dem südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-Jung.
    Auf MW ist auch Seoul zu empfangen - ohne Jamming. Gestört
    sind allerdings die speziell für den Norden erstellten Programme.
    Aufgrund des höchsten Nationalfeiertages in der DVR Korea, des
    "Tages der Sonne", zu dem 700 Ausländer im Lande sind, ist ein
    Besuch beim Auslandsrundfunk leider nicht durchzuführen. In
    unserem Hotel wohnt eine Gruppe aus Äthiopien, die täglich in
    Sportanzügen das Restaurant betritt. Marathonläufer, so erfahren
    wir. Weiterhin ist eine Delegation aus Finnland anwesend, die uns
    anschaulich zeigt, wie hoch besteuert Alkoholika in Skandinavien
    sind... Den Besuch des "Koreanischen Computer Zentrums"
    arrangiert man jedoch gerne. Wir sehen uns die Abschlußarbeiten
    an der CD-ROM zum interaktiven Erlernen der koreanischen
    Sprache an. In Panmunjon, am 38. Breitengrad, der Ort der
    Waffenstillstandsvereinbarung im Jahr 1953, stehen wir mit
    chinesischen Touristen und einem Geschäftsmann aus Süd-Afrika
    auf der Aussichtsplattform in Richtung Süd-Korea. Wir
    versuchen den Aussichtspunkt zu erspähen, von dem aus wir zwei
    Jahre zuvor, unter Anleitung von U.S. Soldaten, hierher schauten.
    Um den Sender KBS besuchen zu können, würde es keine ganze
    Autostunde beanspruchen. Hätten wir dies tatsächlich vorgehabt,
    müssten wir über Peking nach Seoul fliegen. Von der Grenzstadt
    Käsong aus, in der wir den weltbekannten Insam (Ginseng) Tee
    erwerben, fahren wir zu einer weiteren Aussichtsstellung, um die
    Grenzbefestigungen beider Teilstaaten mittels Fernrohr in
    Augenschein zu nehmen. Plötzlich ertönt laute Musik vom Süden
    her, es schließen sich Ansagen an. Was gerade gesagt werde,
    frage ich. Der Offizier antwortet, dass er seit fast vier Jahren diese
    Mitteilungen höre und Schrifttafeln lese und diese nicht mehr
    beachte. Ich bohre nach und will es genauer wissen. "Es wird
    gesagt, dass alle anderen Länder wie die USA und Süd-Korea viel
    weiter entwickelt wären, und dass wir herüber kommen sollten. Für
    uns stünde dort eine Kiseng (Vergnügungsdame, Anm. d. Autors)
    zur freien Verfügung und auch ein Auto." Der Offizier bittet uns nun
    zum Ausgang, und ich denke: "Muss man den Menschen das
    Leben denn noch schwerer machen, als es für sie schon ist?"

    Während der Rückfahrt mit dem Zug, in dem vier Abteile von
    chinesischen Schwimmsportlern besetzt sind, sehen wir die
    Koreaner auf den landwirtschaftlichen Kooperativen bis in den
    Abend hinein die Reisfelder bearbeiten. Im Nachbarabteil lerne ich
    die Leiterin einer chinesischen Firma kennen, die auch für
    deutsche Hilfsorganisationen die Nahrungsmittel nach Nord-Korea
    liefert, um Transportkosten zu sparen. "Wir sahen auch während
    der Zugfahrt keine Menschen, denen man ein direktes
    Hungerleiden ansieht. Sicher, solche Personen können auch nicht
    auf den Feldern arbeiten..." sage ich zu ihr. - "Auch ich kenne
    solche Berichte nur aus den Nord-Ost-Provinzen. Dorthin komme
    ich aber nicht, da man die Not nicht gerne zeigt, die dort herrscht,"
    sagt sie mir (Rubrik "Relief Activities" unter:
    http://www.korea-np.co.jp/pk). In Korea sagte man uns auf Nachfrage, dass
    sich die
    Lage leicht gebessert habe. Von einer endgültigen Lösung in
    Sachen Nahrungsmittelknappheit sprach man nicht und von
    welchen Ausgangswerten man ausgeht, bleibt offen. Jedenfalls
    waren im Sommer diesen Jahres Wissenschaftler aus der KDVR in
    Deutschland zu Gast, die für ihre Heimat den Kartoffelanbau
    vorantreiben wollen. Ein Austausch auf wissenschaftlichem Gebiet
    wird von koreanischer Seite gewünscht. Ebenso denkt man an die
    Entsendung von Praktikanten.

    Nach dem Aufstehen am nächsten Morgen sind sie wieder zu
    hören: Die Mobiltelefone. Zwei Stunden vor der Ankunft in Peking
    mache ich mich auf den gut zehnminütigen Weg durch den
    gesamten Zug zum Speisewagen. Wir dachten, eine Strapaze in
    den Reichsbahnwagen auf uns genommen zu haben. Welch eine
    Täuschung! Im nächsten Liegewagen der Chinesen sind alle
    Bettgestelle ohne Abtrennung oder Bezug aneinander gereiht.
    Doch welch ein Luxus, verglichen mit den nächsten Wagen, in dem
    halb verschlafene Fahrgäste die Nacht seit der Einreise nach China
    ohne Abteilabtrennungen im Sitzen verbrachten. Ich werde von
    allen Seiten mit interessierten Blicken gemustert. Ein Europäer ist
    hier eine wirkliche Besonderheit. Für Freunde der Eisenbahn ist die
    Fahrt ein Erlebnis! So sehen wir noch große Dampflokomotiven auf
    den Nebengleisen und die unterschiedlichsten Modelle an D- und E-
    Zügen. Die Strecke von Pjöngjang nach Peking ist übrigens
    durchgehend elektrifiziert. Die aus Görlitz Ende der 80er Jahre
    gelieferten Wagen verfügen über einen großen Wassersieder mit
    VEB-Etikett, so dass Nudelsuppen zubereitet werden können. Wir
    sind damit nicht ausgestattet und Improvisation ist gefragt. Die
    Wasserflasche aus weichem
    Kunststoff hält dem Experiment nicht stand; schließlich bereite ich
    mir Ginseng Tee in der ausgespülten Bierflasche zu.

    Durch die Verbindung zu einer Reisevermittlerin aus Hannover sind
    wir zu einem Sonderpreis im Fünf-Sterne-Hotel untergebracht, das
    ein exzellentes Frühstück für die Geschmäcker aller Kontinente
    offeriert. Zu allem Überfluss sind nicht genügend Zimmer im Beijing-
    Hotel frei und man gewährt uns freundlicherweise ohne
    Preisaufschlag eine große Suite, nach dem ich sinnvolle und auch
    belanglose Faxe meiner Vorabkorrespondenz an der Rezeption
    ausbreite. Ein Vollbad ist nach der Bahnfahrt nötig. Wir gehen
    danach in ein nahegelegenes Einkaufszentrum, das genauso gut in
    London oder Paris hätte stehen können. Ansprechend gestaltete
    Lokale mit schmackhaftem Essen bis hin zu Pizza,
    Buchhandlungen mit fremdsprachiger Literatur, eine reichhaltige
    Teeauswahl und Bekleidungsfachgeschäfte sind hier auf mehreren
    Etagen mit gläsernem Fahrstuhl verteilt. Freilich, die "Neuen
    Reichen" sind in Modekleidung und Schminke anzutreffen, für die
    einfache Bevölkerung greift hier die "Ausschlussfunktion des freien
    Marktes". Die erworbene Telefonkarte mit Motiven aus Hong Kong
    wird neben
    einem spontanen Anruf in der Heimat - die Direktdurchwahl ist hier
    problemlos möglich - zur Terminvereinbarung bei CRI und dem
    Funkamateurverband genutzt. Am nächsten Tag steigen wir bei
    strahlendem Sonnenschein in einen Reisebus, der uns zu der
    6.700 km langen "Großen Mauer" fährt, denn die
    Hauptsehenswürdigkeiten des Landes mit 5.000jähriger
    Geschichte wollen wir uns nicht entgehen lassen
    (http://www.chinatour.com). Der Bus muss des öfteren "dringend"
    halten. Weshalb? Einmal sollen die Besucher gezählt werden, ein
    anderes Mal dürfen wir ein WC benutzen oder eine Tasse Tee
    trinken. Dass hier ganz nebenbei der Weg durch eine große
    Verkaufsschau gegangen wird, ist wohl rein zufällig. Dies wäre
    auch nicht weiter schlimm, doch die unbedarften Besucher zahlen
    hier ein Vielfaches für die Jade-Artikel oder Naturmedizin,
    vergleiche ich die Preise mit denen der Straßenhändler, die schon
    ihre Kalkulation mit viel Geschick durchführen. Hier ist, wie in allen
    sogenannten "Freundschaftsläden" für Ausländer, eine gute
    Verständigung in Englisch möglich. Meistens treffen wir auf
    Touristen aus den USA. Jedenfalls ist ausreichend Zeit für die
    Besichtigung der Gräber der 13 Ming-Kaiser verblieben, von denen
    zwei für Besucher geöffnet sind. Wir steigen auch hinab. Im Bus
    lernen wir zwei Geschäftsleute aus Australien kennen, die alles
    sehr gelassen angehen und immer zu einem Scherz aufgelegt
    sind. Sie sind mit den Gegebenheiten der für uns fremden
    ostasiatischen Kultur recht vertraut und demonstrieren uns auch
    das Feilschen um den niedrigsten Preis an den in Vielzahl
    vorhandenen Souvenir-Lädchen; durchaus mit Erfolg, jedoch für
    unser Gefühl etwas zu herablassend. Zugegeben, die
    Preisforderungen der "anderen Seite"
    sind zuweilen ebenfalls sehr gewagt. Ein grober Keil auf einen
    groben Klotz? Wir betrachten dies mit Abstand, haben wir unsere
    Geschenke doch bereits im Gepäck. Beeindruckend ist es, auf
    dem 400.000 qm großen Tian´anmen-Platz zu stehen, dem
    größten der Welt. Durch das Haupteingangstor, über dem das
    Staatswappen angebracht ist, betreten wir die Kaiser-stadt. In
    diesem weltgrößten erhaltenen Palastkomplex befinden sich mehr
    als 9.000 Räume. Wir sind überwältigt von den schönen
    Pagodenbauten, die gut gepflegt werden. Übrigens fand hier am 1.
    Oktober 1949 die Zeremonie zur Feier der Gründung der
    Volksrepublik statt. Mittlerweile neigt sich der Filmvorrat dem Ende
    entgegen. Filme und Einwegkameras sind überall zu erhalten.
    Viele chinesische Touristen sind hier anzutreffen, die sich stolz für
    das Familienalbum ablichten lassen.

    Einen Tag vor unserer Abreise steigen wir in ein Taxi und fahren zu
    CRI. Von weitem erkennen wir das vor zwei Jahren neu bezogene
    Rundfunkgebäude und werden bereits in der Eingangshalle
    erwartet. In einem geräumigen Besprechungssaal empfängt uns
    Herr Sun Jingli, Direktor des Deutschprogrammes. Wir erhalten ein
    T-Shirt mit dem Motiv der "Großen Mauer" und überreichen unsere
    Mozartkugeln und den ADDX-Wimpel. Ich richte Grüße einiger
    Hörer aus und beginne Fragen zu stellen: "Sind es überwiegend
    Programmhörer oder QSL-Karten-Jäger, die schreiben?" Herr Sun:
    "Es dürfte ausgewogen bei 50% liegen." Ziel des Senders sei es,
    möglichst viele Hörer zu gewinnen, jedoch nicht unbedingt eine
    spezielle Zielgruppe. Ich erkundige mich nach dem Stellenwert der
    Germanistik. Die deutsche Sprache sei eindeutig im Wachsen
    begriffen, was sich auf die gute Entwicklung der Beziehungen
    beider Staaten im wirtschaftlichen und politischen Bereich
    zurückführen lasse. Viele Chinesen bewerben sich um ein
    Stipendium in Deutschland, so unser Gesprächspartner. "Gibt es
    eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Welle?" - "Ja, es besteht
    ein Personal-Austauschprogramm. Ein Redakteur geht für zwei
    Jahre in das jeweils andere Land." Zu weiteren Fragen notiere ich
    mir: In der deutschsprachigen Abteilung sind derzeit 20 Mitarbeiter
    tätig, die aktuellen Sendungen werden am Tag der Ausstrahlung
    aufgezeichnet. Bis um 22.00 Uhr können die Texte gesprochen
    werden, die um 2.00 Uhr Ortszeit ausgestrahlt werden. Es
    existieren keine Magnetbänder mehr, hier kommt Digitaltechnik
    zum Einsatz. Die neuen Sendeanlagen und Studioeinrichtungen
    stammen überwiegend von Siemens aus Österreich. Im Jahre 1999
    erreichten die Redaktion rund 10.000 Schreiben von Hörern aus
    dem deutschsprachigen Raum. Eine der wichtigsten Aufgaben der
    Zukunft ist die weitere Ausgestaltung des Internet-Angebotes, das
    im Dezember 1998 aufgenommen wurde
    (http://www.cri.com.cn/germany). Inwieweit hierdurch die
    Kurzwellenausstrahlungen reduziert werden, ist noch nicht
    absehbar. Die Anzahl der eingehenden Briefe ist nicht maßgeblich
    für das "Leben" des deutschen Dienstes. Ich berichte über meine
    guten Erfahrungen bei dem Empfang über den Tonunterträger von
    "MTV" des "WRN-Satellitenprogrammes", worüber man in der
    Redaktion jedoch noch nicht in Kenntnis gesetzt wurde
    (http://www.wrn.org). Ich verweise auf den mitgebrachten
    Empfangsbericht, der Einzelheiten hierzu enthält. Jetzt ist es an
    der Zeit das Großraumbüro zu besichtigen, das für asiatische
    Verhältnisse sehr geräumig ist. Wir stellen uns zum Gruppenfoto
    auf und haben Einblick in die Karteikarten, die über uns angelegt
    wurden. Die Redaktionen sind an diesem Tage nicht vollständig im
    Gebäude, da eine Sportveranstaltung ansteht. Auch der
    Koreanisch-Abteilung statten wir einen Besuch ab. Die Hörer
    schreiben meist aus Nord- und Süd-Korea sowie aus Japan, da
    dort viele Koreaner leben. Da der Norden und der Süden jeweils
    eine eigene Bezeichnung für seine Sprache verwendet (N: Choson
    mal; S: Hanguk mal), werden hier einfach beide Bezeichnungen
    verwandt, da es nur ein Programm gibt. Das greift in viele Bereiche
    über, selbst die koreanische Uhrzeit wird mit "Choson gwa Hanguk
    shigan" angegeben, wobei "gwa" für "und" sowie "shigan" für "Zeit"
    steht. Nord-Korea bezeichnet in seiner Weise den Süden als "Nam
    (=Süd) Choson", der Süden kontert mit seinem eigenen Begriff für
    Nord-Korea, der "Puk (=Nord) Han" lautet. Wir werden nun in einer
    anderen Etage zu einem Interview für den Hörerbriefkasten
    gebeten. Im Aufnahmestudio befragt man uns über unsere
    Reisestrecke und bittet um unsere Stellungnahme zum 40.
    Jahrestag des Bestehens der deutschsprachigen Abteilung von
    CRI. Das Studio ist für drei Personen gleichzeitig zu klein. Ich
    nutze die Zeit, mich mit einer netten Mitarbeiterin des japanischen
    Dienstes in Englisch zu unterhalten. Die Rückfahrt möchten wir mit
    der U-Bahn antreten. Freundlicher Weise begleitet man uns zur
    richtigen Station. Wir ziehen die neugierigen Blicke der Fahrgäste
    auf uns und lassen den Verkehrsstau über uns. Angebot und
    Nachfrage sorgen für einen regen Zeitungsverkauf während der
    Fahrt in allen Waggons.

    Nach süß-sauerem Mittagessen begeben wir uns auf den Weg zu
    der "Chinesischen - Radio - Sport - Vereinigung" (CRSA)
    (http://www.crsa.org.cn). Herr Han Zhaofang, stellvertretender
    Generalsekretär, unterhält sich in bestem Englisch mit uns. Rund
    10.000 Mitglieder habe die Vereinigung, von denen über 1.000 auch
    eine Sendegenehmigung besitzen. Des öfteren führe man Konteste
    und Fuchsjagden durch. 1982 wurde der Amateurfunk
    regierungsamtlich genehmigt und auch zu Taiwan bestehe Kontakt.
    Die Regierung unterstütze die Funkausbildung, da dies ein
    wichtiges Potential für die Aneignung von Elektronikkenntnissen für
    die Studenten darstelle. Dem CW-Betrieb (Morsen) werde weiterhin
    eine wichtige Bedeutung beigemessen; eine Diskussion über die
    Geschwindigkeitsreduzierung für die Lizenzprüfung bei der
    Zeichengebung sei auch in China im Gange. Hauptpartner der
    CRSA seien Japan, Süd-Korea und Australien. Die Funkgeräte
    (hauptsächlich für das 2- und das 80-Meterband) würden
    überwiegend selbst erstellt. Für die Mitglieder gebe es hier
    finanzielle Probleme. Auch Austritte gab es schon, da nach
    erfolgreich abgelegter Prüfung kein Gerät erworben werden konnte.

    Abends ist es auf der Straße schwer möglich, sich in Englisch zu
    verständigen. Erstaunt hören wir drei Studentinnen fragen, ob wir
    Brüder seien und vielleicht aus den Niederlanden kämen. Erfreut
    frage ich nach einer Restaurantempfehlung. Wir werden begleitet
    und finden ein sehr sauberes und zugleich äußerst preiswertes
    Lokal vor, in dem wir uns nur mit Hilfe der neuen Bekanntschaft
    verständigen können. So uneigennützig ist die Hilfe jedoch nicht,
    denn wir werden in die nahegelegene Kunstgalerie gebeten, um
    uns schöne, traditionelle Zeichnungen auf Reispapier mit
    Seidenrahmung anzuschauen. Der Leiter führt uns gekonnt in rund
    fünf Minuten die Erstellung einer Bambuszeichnung in
    schwarz/weiß mit farbigen Vögeln vor. An der Wand befinden sich
    fast neonfarbene Landschaftsskizzierungen. Oft werden Pferde als
    Symbol des Erfolges dargestellt, und auch die vier Jahreszeiten auf
    ebenso vielen Bilder verteilt, werden bevorzugt gemalt. Ein Bild
    erscheint uns schöner als das nächste und wir entscheiden uns für
    jeweils eines, das gut in die heimische Wohnung passt. Für uns
    sind es umgerechnet DM 35,- (= RMB 130,- nach
    Rabattaushandlung). Vergleicht man dies jedoch mit dem Preis für
    ein Abendessen incl. Getränk für RMB 9,- im vorher besuchten
    Lokal, scheinen dies recht geschäftstüchtige Künstler zu sein. Wer
    kennt dies nicht von Reisen in z.B. südeuropäische Länder?!
    Jedenfalls hat der
    "fröhliche Buddha", so der Titel des Bildes, einen würdigen Platz in
    den heimischen Räumlichkeiten für sich gefunden.

    Letzter Programmpunkt vor unserem Abflug ist die Besichtigung
    des 1420 errichteten Himmelstempels. Während der Ming- und
    Quing-Zeit beteten die Kaiser hier für eine reiche Ernte zum
    Himmel. Eine erneute Reise nach China erscheint uns
    lohnenswert. Neben dem Großstadtleben bietet sich das
    Miterleben von Festen mit langer historischer Tradition und das
    Kennenlernen von Sitten und Gebräuchen an. Dies auch noch in
    den sechs Tagen erlebt haben zu wollen, wäre vermessen und
    würde der Bedeutsamkeit der beachtenswerten Kultur nicht
    Rechnung tragen. Wir gewannen einen ersten Einblick, der
    aufschlussreich war und den Reiz für einen zweiten Besuch
    erbrachte. Ob wohl auch eine Besichtigung des Rundfunks in einer
    Provinzhauptstadt möglich ist? Eine herausfordernde
    Planungsaufgabe!



    © Andreas Niederdeppe


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