© 1990/98 Markus Kappeler / Groth AG
(erschienen in der «Flags of the Nations» Stamp Collection,
Groth AG, Unterägeri)
Die Demokratische Volksrepublik Korea, aufgrund ihrer Lage auf der Koreanischen
Halbinsel im allgemeinen schlicht «Nordkorea» genannt, wird
seit 1948 von Kim Il Sung regiert, der als einer der letzten «hartnäckigen»
kommunistischen Führer der Welt gilt. Gemäss seinen Äusserungen
ist das sozialistische System, das Nordkorea zugrunde liegt, ein echtes
demokratisches System, das die politischen Rechte und Freiheiten der Arbeiter,
Bauern und anderen Werktätigen garantiert. In Wirklichkeit unterdrückt
aber wohl kein anderes Regime der Erde seine Bürger so total, wie
dies in Nordkorea der Fall ist. Und wohl niemand sonst auf der Welt spricht
seinen «Untertanen» in solchem Ausmass jegliche Individualität
ab und degradiert sie zu roboterhaften Wesen, wie dies Kim Il Sung tut.
Die Ausübung der demokratischen Rechte und Freiheiten darf in Nordkorea
nicht im geringsten gegen die Staatsideologie verstossen. Jegliche Kritik
wird mit polizeistaatlichen Methoden rigoros unterbunden, öffentliche
Opposition keinesfalls geduldet. Zu diesem Zweck wird nicht zuletzt die
Bewegungsfreiheit der Bevölkerung innerhalb des Staats massiv beschränkt.
Jedermann ist verpflichtet, ständig seine Identitätskarte auf
sich zu tragen. Für jede Reise braucht es eine behördliche Erlaubnis.
Und private Motorfahrzeuge sind ohnehin nicht erlaubt.
Für die politische Kontrolle und die innere Sicherheit verfügt
Kim Il Sung über die mit rund 800 000 Soldaten fünftgrösste
Armee der Welt sowie ausserordentlich umfangreiche Polizeikräfte,
zu deren wichtigsten Aufgaben die Überwachung der Bevölkerung
gehört. Ferner existieren mehrere Straflager, in denen Zehntausende
fehlbarer Bürger als politische Gefangene die ihnen zugedachte «Erziehung»
erhalten.
Noch an seiner Neujahrsansprache 1990, in Kenntnis des Sturzes sowohl
des ostdeutschen wie des rumänischen Regimes bekräftigte Kim
Il Sung die Entschlossenheit seines Landes, am Sozialismus festzuhalten,
mit den Worten: «Wir werden zuverlässig den Frieden und den
östlichen Posten des Sozialismus verteidigen.» Ob ihm das noch
lange gelingen wird, ist allerdings fraglich.
Schwülwarme Sommer, bitterkalte Winter
Nordkorea umfasst den nördlichen Bereich der Halbinsel Korea und
einen Teil des angrenzenden ostasiatischen Festlands. Im Norden bilden
die Flüsse Amnok Kang und Ihman Gang die Grenze zu China sowie (auf
25 Kilometern Länge) zur Sowjetunion. Die Grenze zur Republik Korea
(«Südkorea») im Süden verläuft etwa in Höhe
des 38. Breitengrads quer durch die Halbinsel. Mit einer Fläche von
120 538 Quadratkilometern ist Nordkorea knapp dreimal so gross wie die
Schweiz und hat mit rund 22 Millionen Einwohnern ungefähr dreieinhalb
mal soviele Einwohner wie diese.
Nordkorea ist überwiegend ein Gebirgsland. Im Norden und Osten
steigen die zerklüfteten Bergketten vom Japanischen Meer steil bis
auf über 2500 Meter hoch und bilden teils ausgedehnte Hochplateaus.
Die höchste Erhebung ist mit 2744 Metern der Paekdu San, ein alter,
stark abgetragener Schildvulkan mit einem bezaubernden, von vielen Legenden
umrankten Kratersee namens Chon Ji («Himmlischer See»).
Von den hohen Erhebungen im nordöstlichen Bereich Nordkoreas fällt
das Land allmählich nach Westen ab, und an der Küste des Gelben
Meers liegen schliesslich ausgedehnte, fruchtbare Schwemmlandebenen, die
sich trichterförmig zu den Küsten hin öffnen. Besonders
grossflächig ist das Küstentiefland am Unterlauf des Taedong
Gang. Hier befindet sich nicht nur die «Reiskammer» des Landes,
sondern auch das Zentrum der Industrie und die Hauptstadt Pyongyang. Demgegenüber
ist das nördliche und östliche, von dichten Nadelwäldern
überzogene Bergland ein recht dünn besiedelter, wenig genutzter
Teil Nordkoreas.
Das Klima Nordkoreas ist geprägt durch grosse Unterschiede zwischen
schwülwarmen Sommern und frostigen Wintern, ausgelöst durch den
jahreszeitlichen Wechsel der Monsunwinde. Im Sommer bringt der Südwestmonsun
warme und feuchte Luftmassen vom Gelben Meer her. Sie führen zu ergiebigen
Niederschlägen und mittleren Julitemperaturen im Tiefland zwischen
21° und 27° Celsius (Pyongyang: 24°). Die Winter stehen dagegen
unter dem Einfluss kalter und trockener Luftmassen, die vom Nordwesten,
das heisst vom Kontinent her, wehen, und sind ausserordentlich streng.
Die durchschnittlichen Monatstemperaturen liegen von November bis April
unter 0° Celsius. So hat Pyongyang ein Januarmittel von -8° Celsius!
Die Nordkoreaner sind von ihrer Abstammung her ein sehr einheitliches
Volk, dessen Wurzeln auf Mongolenstämme zurückgehen, welche in
vorgeschichtlicher Zeit aus der Mandschurei auf die Koreanische Halbinsel
einwanderten. Im Durchschnitt sind die Nordkoreaner etwas kleiner als die
Chinesen und etwas grösser als die Japaner.
Vorherrschende Religion war einst der Buddhismus gewesen, der dann später
vom Konfuzianismus abgelöst wurde. Letzterer ist im Grunde genommen
keine Religion, sondern eine Moral-, Gesellschafts- und Staatslehre, welche
auf den chinesischen Philosophen Konfuzius zurückgeht. Besonders wichtige
konfuzianische Tugenden sind der Gehorsam des Jüngeren gegenüber
dem Älteren, die Loyalität gegenüber den Herrschenden und
die Treue unter Freunden. Ein in konfuzianischer Ethik erzogener Asiate
ist sich seiner Stellung in der sozialen Hierarchie voll bewusst und nimmt
die Demütigungen von oben widerspruchslos hin, um sie genauso selbstverständlich
nach unten weiterzugeben.
Zwar besteht heute in Nordkorea offiziell Religionsfreiheit. Die Religionsausübung
darf jedoch keinesfalls der kommunistischen Partei und ihrer Ideologie
zuwiderlaufen. Die meisten Nordkoreaner haben demzufolge nur geringes Interesse
für Religion oder stehen ihr sogar feindlich gegenüber.
Vor dem Zweiten Weltkrieg: ein Korea
Als eigener Staat existiert Nordkorea erst seit dem Ende des Zweiten
Weltkriegs. Zuvor, während fast 1300 Jahren, war die Koreanische Halbinsel
eine politische Einheit gewesen.
Die ersten koreanischen Staaten entstanden um Christi Geburt: Damals
bildeten sich aus drei grossen Stammesgruppen die drei rivalisierenden
Reiche Koguryo im Norden, Paekche im Zentrum und Silla im Süden der
Halbinsel. Im Jahr 661 gelang es dem Herrscher von Silla, die beiden anderen
Reiche zu erobern und die ganze Koreanische Halbinsel zu einem einzigen
Staatsgebilde zu vereinen. Über drei Dynastien hinweg (Silla-Dynastie
661-935, Koryo-Dynastie 935-1392, Yi-Dynastie 1392-1910) vermochte nun
Korea (trotz wiederholter Einfälle fremder Völkerschaften) seine
politische Einheit zu bewahren und eine eigenständige Kultur zu entwickeln,
die zu hoher Blüte gelangte. Der Konfuzianismus verdrängte den
Buddhismus, die koreanische Schrift wurde erfunden, und Seoul entwickelte
sich zum überragenden Machtzentrum.
Zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde die kulturelle Entwicklung Koreas
jedoch jäh unterbrochen durch den Angriff der expansionsfreudigen
Japaner. Nachdem diese 1894/95 China und 1904/05 Russland besiegt hatten,
besetzten sie im Handstreich auch Seoul und brachten anschliessend die
ganze Halbinsel unter ihre Kontrolle. 1910, nach der erzwungenen Abdankung
des letzten Yi-Herrschers, wurde Korea von Japan annektiert.
Es folgten 35 Jahre der japanischen Kolonialherrschaft (1910-1945),
während der Korea zum militärischen Aufmarschgebiet für
Japans Grossmachtpläne ausgebaut wurde. Mit der Errichtung einer neuzeitlichen
Infrastruktur, der Realisierung grosser Landnutzungsprojekte und der Erschliessung
der Minerallagerstätten sowie der Wasserkraftreserven vollbrachten
die Japaner enorme Leistungen, welche Korea praktisch vom Mittelalter in
die Neuzeit führten (und die nicht zu verleugnende Basis für
die moderne Entwicklung der Halbinsel bildeten). Tiefe, bis heute nicht
voll verheilte Wunden hinterliess jedoch die nationale und kulturelle Unterdrückung
des koreanischen Volks durch die Japaner. Obschon der Schulunterricht nurmehr
in japanischer Sprache stattfand und die Benutzung der koreanischen Schrift
verboten war, ja die Koreaner sogar gezwungen wurden, ihre eigenen Namen
zugunsten japanischer aufzugeben, blieb die koreanische Kultur im Untergrund
lebendig.
Die Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg und seine Kapitulation im
August 1945 brachte den Koreanern dann endlich das lang herbeigesehnte
Ende der demütigenden Unterjochung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg: zwei Korea
Leider brachte das Kriegsende den Koreanern aber nicht die erhoffte
Selbständigkeit in nationaler Einheit, sondern eine krasse politische,
wirtschaftliche und ideologische Teilung des Landes, die bis heute fortbesteht.
Das von Japan auf der Koreanischen Halbinsel hinterlassene «Machtvakuum»
wurde nämlich nicht von einer einzelnen Siegernation ausgefüllt,
sondern von sowjetischen Streitkräften im Norden und von amerikanischen
Truppen im Süden. Als provisorische Grenze zwischen den beiden Besatzungszonen
wurde der 38. Breitengrad festgelegt.
Nachdem sich die beiden Grossmächte, zwischen denen ein ziemlich
gespanntes Verhältnis bestand, über die Einrichtung einer Zentralregierung
für die gesamte Halbinsel nicht einigen konnten, wurde die Angelegenheit
den Vereinten Nationen unterbreitet, welche sich bereit erklärten,
vorgeschlagene freie Wahlen in beiden Besatzungszonen zu überwachen.
1948 war dann tatsächlich eine UN-Kommission bei den Wahlen in
der amerikanischen Besatzungszone anwesend, welche zur Gründung der
unabhängigen Republik Korea («Südkorea») führten.
Die Sowjetunion verweigerte dann jedoch den UN-Gesandten die Einreise in
das von ihnen besetzte Gebiet und errichtete eigenmächtig am 9. September
1948 nach sowjetischem Vorbild die Demokratische Volksrepublik Korea mit
einem kommunistischen Regime.
Die Spannungen zwischen den beiden Korea, welche beide für sich
die Souveränität über die gesamte Halbinsel forderten, nahmen
massiv zu, nachdem 1949 die amerikanischen und die sowjetischen Truppen
von der Halbinsel abgezogen worden waren. 1950 fielen schliesslich nordkoreanische
Truppen in Südkorea ein und versuchten, das Land mit Gewalt zu vereinigen.
Der Koreakrieg nahm seinen Lauf, bei dem UN-Truppen aus 16 Ländern,
hauptsächlich aber aus den USA, die südkoreanische Armee unterstützten,
während auf der Seite Nordkoreas schweres sowjetisches Kriegsgerät
und 200 000 chinesische «Freiwillige» zur Schlagkraft der Armee
beitrugen.
Die Kämpfe hielten bis Mitte 1953 an und endeten letztlich ergebnislos
mit einem Waffenstillstand und dem 38. Breitengrad als neuerlicher innerkoreanischer
Grenze. Der unsinnige Krieg hatte über eine Millionen Menschenleben
gefordert und den grössten Teil der Halbinsel zerstört. Ausserdem
kam nun zu der territorialen Trennung noch eine tiefe ideologische Spaltung
der beiden koreanischen Nationen hinzu. Die Kluft mitten durch die Koreanische
Halbinsel teilt seither das Land und sein Volk in einer Schärfe, wie
dies an kaum einem anderen Punkt der Erde der Fall ist.
Bis zum heutigen Tag sind Millionen koreanischer Familien getrennt,
ohne auch nur den geringsten Kontakt zu ihren Angehörigen auf der
anderen Seite der Grenze zu haben. Es gibt weder Post noch Telefonverbindungen
und schon gar keinen Personenverkehr zwischen den beiden Korea. Während
in Europa Stacheldraht und Wachtürme des «Eisernen Vorhangs»
offenen Grenzen Platz machen, ist die vier Kilometer breite entmilitarisierte
Zone entlang des 38. Breitengrads auf der Koreanischen Halbinsel noch immer
die undurchdringlichste und tödlichste Grenzregion der Welt.
Politische Beobachter sind allerdings der Ansicht, dass die beiden koreanischen
Staaten angesichts der politischen Umwälzungen im restlichen Eurasien
nicht mehr länger so tun könnten, als ob der «Kalte Krieg»
noch andauere. Tatsächlich gibt es zur Zeit der Drucklegung dieses
Berichts gewisse Zeichen, die darauf hindeuten, dass vielleicht schon bald
auch auf der Koreanischen Halbinsel etwas in Fluss geraten könnte.
Beide Seiten haben jedenfalls in jüngerer Zeit davon gesprochen, durch
eine Öffnung der entmilitarisierten Zone bei Panmunjom den Reiseverkehr
koreanischer Zivilisten zwischen Nord- und Südkorea zu ermöglichen.
Sogar von der «vollkommenen Aussöhnung» zwischen den beiden
Korea war die Rede.
«Wenn sich die Worte in Taten verwandelten, könnte die Trennung
der Koreanischen Halbinsel schon demnächst der Geschichte angehören.
Grosse Worte und Versprechen hat es in der langen und wirren Geschichte
zwischen den beiden Korea aber leider schon allzu oft gegeben.» So
kommentierte kürzlich ein Journalist wenig optimistisch die gegenwärtige
Entwicklung zwischen Pyongyang und Seoul. Hoffen wir mit dem koreanischen
Volk, dass es diesmal ernst gilt!
Kim Il Sung - «die grosser Sonne der Nation»
Die zentrale Figur des 1948 von der Sowjetunion eingesetzten Regimes
hiess Kim Il Sung (korean. «Il Sung» - «die künftige
Sonne»). 1912 als Sohn eines Lehrers bei Pyongyang geboren und im
Alter von vierzehn Jahren mit seinen Eltern in die Mandschurei ausgewandert,
hatte er in den dreissiger Jahren das Kommando über eine kleine Guerillaeinheit
und führte diverse, militärisch allerdings wenig bedeutsame Operationen
gegen die Japaner im mandschurisch-koreanischen Grenzgebiet durch. Später
kämpfte er in der sowjetischen Armee an der europäischen Front,
darunter auch in der Schlacht um Stalingrad. 1945 kehrte er dann als Major
der Roten Armee nach Korea zurück, und 1948 wurde er zum Premierminister
der neu ausgerufenen Demokratischen Volksrepublik Korea erkoren.
Als 1972 eine neue Verfassung verabschiedet wurde und das Amt des Staatspräsidenten
zu besetzen war, gab es wiederum nur einen ernsthaften Kandidaten für
dieses Amt: Kim Il Sung. Als erster und bisher einziger Staatspräsident
Nordkoreas verfügt Kim Il Sung über eine praktisch unbegrenzte
Machtfülle: Er ist nicht nur Vorsitzender der Obersten Volksversammlung
(der höchsten legislativen Körperschaft), sondern leitet auch
die Sitzungen des Staatsrats (der obersten exekutiven Körperschaft)
und verfügt als Oberkommandierender aller Streitkräfte über
die oberste militärische Befehlsgewalt. Überdies ist er der Generalsekretär
der kommunistischen Partei («Arbeiterpartei Koreas»), welche
die politische Macht im Hintergrund verkörpert. Kim Il Sungs Wort
ist in Nordkorea Gesetz.
Kim Il Sungs Person, sein Leben und sein Wirken wurden schon früh
in mythologischer Verklärung zur Legende aufgebaut. Das Staatsoberhaupt
wird heute als «verehrter und geliebter Führer», als «die
grosse Sonne der Nation» und als «wohltätiger Vater des
koreanischen Volkes» gepriesen. Im übersteigerten Personenkult
um King Il Sung, dessen Erscheinen als «die grösste Freude und
das höchste Glück für das koreanische Volk in seiner fünftausendjährigen
Geschichte» gefeiert wird, verbindet sich konfuzianisches Hierarchiedenken
mit buddistischen Erleuchtungsthesen und christlichem Erlöserglauben.
Es ist nicht zuletzt diese Verherrlichung Kim Il Sungs, welche dafür
sorgt, dass der mittlerweile 79-Jährige das Leben «seiner»
Bürger beherrscht wie wohl kein zweites Staatsoberhaupt der Erde.
Ehe und Familie, Kindererziehung und Ausbildung, Arbeit und Freizeit, Wissenschaft
und Kultur - alles ist den Normen und Regeln des Regimes unterworfen. Disziplin
und Sauberkeit, Unterordnung und Arbeitswille sind die höchsten Ziele
der «Volkserziehung», welche in Nordkorea als eine der wichtigsten
Staatsaufgaben gilt.
Die «Erziehung» beginnt schon mit dem 77. Lebenstag eines
Kindes in der staatlichen Kinderkrippe und setzt sich über den Kindergarten
und die obligatorische elfjährige Grundschule fort. Nach dem Verlassen
der Schule bestimmt der Staat den weiteren Weg des Schulabgängers
gemäss seinen Qualifikationen und den Anforderungen des staatlichen
Wirtschaftsplans. Entweder geht er in die Landwirtschaft oder in die Industrie,
um als Facharbeiter ausgebildet zu werden. Oder er geht auf die Hochschule
- sofern er nicht zuerst seine drei- bis vierjährige Militärzeit
absolvieren muss.
An der Kim Il Sung-Universität in Pyongyang, welche 1946 vom Staatspräsidenten
an einem persönlich ausgewählten Platz gegründet wurde,
studieren an 12 Fakultäten mit 80 hervorragend ausgerüsteten
Instituten gleichzeitig etwa 40 000 Studenten. Das Ziel dieser Universität
sei es, so Kim Il Sung, «hervorragende Kader der Nation auszubilden,
die neben einem hohen Mass an wissenschaftlichen Fähigkeiten auch
über ein grosses politisches Bewusstsein verfügen und dadurch
in der Lage sind, sich hingebungsvoll für das Wohlergehen und die
Entwicklung der Nation einzusetzen».
Neben Schule und Hochschule spielen zahlreiche grosse Massenorganisationen
eine wichtige Rolle in der «Erziehung» des Volks. Das beginnt
mit der Pfadfinderorganisation, der alle Kinder vom 8. bis zum 14. Lebensjahr
angehören, und setzt sich über verschiedene Jugendorganisationen
fort bis zu den Gewerkschaften, den Frauenorganisationen und den Zirkeln
zum Studium der Schriften Kim Il Sungs. In diesen Massenorganisationen,
welche vollständig die Richtlinien der kommunistischen Partei vertreten,
sollen die Mitglieder lernen, die ihnen vom Staat gestellten Aufgaben freiwillig
und mit Begeisterung zu erfüllen.
Im übrigen steht die gesamte Presse, das Radio und das Fernsehen
unter der Aufsicht des Staats, und nur die staatliche Zentrale Pressestelle
darf innerhalb des Lands Nachrichten verbreiten. So spielen auch die Massenmedien
bei der «Erziehung» der Bevölkerung eine äusserst
wichtige Rolle.
Kim Il Sung hat es ausgezeichnet verstanden, die traditionelle, auf
konfuzianischer Lehre fussende Gesellschaftshierarchie durch seine Parteihierarchie
zu ersetzen. So kommt es, dass die Bevölkerung heute - zu ehrerbietiger
Zurückhaltung gegenüber allen höhergestellten Personen erzogen
- widerspruchslos die enorme Kluft akzeptiert zwischen dem «normalen»
Volk und den höheren Parteifunktionären, die sich nur in staatseigenen
Limousinen bewegen, in speziellen «Diplomatenläden» einkaufen
und im Theater eigene Eingänge benutzen. Auch für das Phänomen
des übersteiger ten Personenkults um Kim Il Sung scheint der Schlüssel
im Nachwirken der jahrtausendealten konfuzianischen Ethik zu liegen.
All dies soll keinesfalls heissen, dass es der nordkoreanischen Bevölkerung
materiell schlecht geht. Unter Kim Il Sungs Führung erzielte Nordkorea
rasche Fortschritte beim Wiederaufbau des Lands nach dem Koreakrieg und
bei der Um wandlung des einstigen Agrarlands in einen Industriestaat (was
bereits mit der japanischen Besetzung begonnen hatte). Der Staat, der laut
Verfassung die Verantwortung für das materielle Wohlbefinden seiner
Bürger trägt, erfüllt diese Aufgabe sehr gut. So sorgt er
für billigen Wohnraum, gewährt massive Nahrungssubventionen und
leistet Zuschüsse für Bekleidung an Studenten und Kinder. Die
werktätige Bevölkerung hat alljährlich Anrecht auf einen
mehrwöchigen bezahlten Urlaub. Arbeitende Mütter erhalten einen
Mutterschaftsurlaub von 77 Tagen. Bei Krankheit oder Unfall ist Lohnfortzahlung
die Regel. Der bezahlte Ruhestand ist bei Männern nach dem 60., bei
Frauen nach dem 55. Lebensjahr möglich. Der Staat sorgt für Waisenhäuser
und Altenheime. Und die Benutzung des Gesundheitsdienstes ist ebenso kostenlos
wie der gesamte Schulbesuch.
Der Preis, den die Nordkoreaner für diesen nicht unbeachtlichen
materiellen Wohlstand bezahlen müssen, ist jedoch ausserordentlich
hoch und heisst Verlust jeglicher Individualität und persönlichen
Freiheit.
Nachtrag 1998:
Um sein Lebenswerk über den eigenen Tod hinaus zu bewahren, bestimmte
Kim Il Sung 1992 seinen erstgeborenen Sohn, Kim Jong Il, zum «Thronfolger».
Die Revolution, so liess er verlauten, werde frühestens nach einer
weiteren Generation vollendet sein. Und wer könnte besser mit seinen
Gedanken vertraut sein, wer könnte vertrauenswürdiger und loyaler
sein als sein leibhaftiger Sohn?
Tatsächlich trat diese erste dynastische Erbfolge in der Geschichte
des Kommunismus auch ein: Nach dem Tod seines Vaters Kim Il Sung im Jahr
1994 hatte der öffentlichkeitsscheue Kim Jong Il, über dessen
Eigenschaften so gut wie nichts bekannt ist, zunächst den Oberbefehl
über Nordkoreas Armee übernommen. Dann hörte man drei Jahre
lang kaum mehr etwas von ihm. Kim Jong Il wolle eine dreijährige Trauer
für seinen Vater befolgen, hiess es aus offiziellen nordkoreanischen
Kreisen. Die westlichen Nordkorea-Experten waren hingegen der Ansicht,
dass «der junge Kim das Denkmal seines Vaters nicht so schnell vom
Sockel stossen konnte, ohne seine eigene Legitimation zu gefährden».
Wie auch immer: Im Herbst 1997 wurde Kim Jong Il zum Generalsekretär
der Kommunistischen Partei ernannt, und es dauert wohl nicht mehr lange,
bis er auch den Titel des Staatspräsidenten tragen wird. Damit wäre
dann der von Kim Il Sung rechtzeitig in die Wege geleitete Machttransfer
komplett und die Chance auf eine politische Erneuerung Nordkoreas
vorerst vertan.
Ein unvorhersehbares «Hindernis» konnte Kim Il Sung seinem
Sohn Kim Jong Il allerdings nicht aus dem Weg räumen: Obschon der
Staat laut Verfassung die Verantwortung für das materielle Wohlbefinden
seiner Bürger trägt und dies während der Amtszeit
von Kim Il Sung auch umfänglich tat geht es der nordkoreanischen
Bevölkerung heute materiell miserabel. Hunger geht um. Die täglichen
Reisrationen, welche die Nordkoreaner seit Jahrzehnten zweimal monatlich
bei den Behörden abholen, sind von 800 Gramm auf 200 gekürzt
worden. Fleisch gibt es nicht, Gemüse selten. Wer Grünzeug essen
möchte, muss in die Wälder gehen und Wurzeln sammeln. Erst suchten
1995 und 1996 Flutkatastrophen, ausgelöst durch verheerende Regenfälle,
das Land heim und vernichteten fast die gesamte Reisernte. Dann bewirkte
1997 eine ungewöhnliche Dürre schlimme Missernten auf den Feldern.
Ohne Vorräte, ohne Devisen für Importe und ohne Rückendeckung
durch den einstigen «Ostblock» hat Nordkorea nun erstmals in
seiner Geschichte den Westen um Hilfe bitten müssen. Die Mitgliedstaaten
der Europäischen Union wie auch Japan und Südkorea, ja selbst
der Klassenfeind USA, helfen. Pyongyang ist tief gedemütigt
umsomehr, als es mangels moderner Maschinen, Energie und Mineraldünger
zur Wiederherstellung der Agrarproduktion zweifellos noch geraume Zeit
auf ausländische Unterstützung angewiesen sein wird. Nordkorea
vermag seine Abschottungspolitik nicht weiter fortzuführen was
manche jetzt auf die überfällige Öffnung des Regimes hoffen
lässt.
Stichwort - Informationen
Nordkoreas Hauptstadt Pyongyang (deutsch auch «Pjöngjang»),
am Unterlauf des Taedong Gang gelegen, ist eine moderne Stadt, welche nach
den schweren Zerstörungen im Koreakrieg vollständig neu aufgebaut
wurde. Das Monument mit der roten Flamme an der Spitze, welches das Stadtbild
Pyongyangs beherrscht, ist 170 Meter hoch und symbolisiert die «Juche»
genannte nordkoreanische Parteiideologie, welche die feste Entschlossenheit
zur politischen Unabhängigkeit und zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit
beinhaltet.
Um nicht durch den Zwang zu Treibstoffimporten in eine allzu starke
Abhängigkeit vom Ausland zu geraten, erlaubt die nordkoreanische Regierung
den Privatbesitz von Autos ausser für hochgestellte Parteifunktionäre
nicht. Die grosszügig angelegten Strassen Pyongyangs sind darum nur
schwach und hauptsächlich von Militärfahrzeugen, öffentlichen
Bussen und Staatskarossen befahren.
Arbeitende Nordkoreaner haben Anrecht auf zwei bis vier Wochen Ferien
pro Jahr. Viele von ihnen verbringen ihren Urlaub in den reizvollen Berglandschaften
des Nordostens, wo mancherorts grosse Feriendörfer erstellt wurden.
Beliebt ist aber auch ein Aufenthalt am Meer, so etwa in Wonsan, einem
bekannten Badeort mit langem Sandstrand an Nordkoreas Ostküste.
Disziplin, Sauberkeit, Unterordnung und Arbeitswille sind die höchsten
Ziele der «Volkserziehung», welche die nordkoreanischen Bürger
von klein auf und ihr Leben lang erhalten. Massenveranstaltungen und Uniformen
spielen im Rahmen dieser sozialistischen Schulung eine wichtige Rolle:
Sie tragen wesentlich zur Unterdrückung etwaiger Individualitäet
im Denken und Handeln des Einzelnen bei.
Nordkoreas Staatschef heisst seit 1948 Kim Il Sung, dessen Leben und
Wirken bereits zu Lebzeiten zu einer grossartigen Legende aufgebaut worden
sind. Zum Ritual des Personenkults, der um Kim Il Sung getrieben wird,
gehören nicht zuletzt auch Verbeugungen vor seinem Bildnis wie etwa
dieser aus weissem Marmor geschaffenen, überlebensgrossen Statue im
«Museum der Völkerfreundschaft».
Der «Ort der Begegnung» Panmunjom liegt direkt an der Grenzlinie
zwischen Nord und Südkorea. Mitten durch die vier Baracken, in denen
seit 1971 regelmässig ergebnislose Verhandlungen zwischen den beiden
verfeindeten Korea stattfinden, verläuft als niedriger Betonsockel
die Grenzlinie. Die vordere Seite der Baracken ist nordkoreanisches Territorium;
die hintere Seite gehört zu Südkorea.