Korea-Reiseberichte
Koreainfo


Nachfolgend zwei sehr detailierte und interessante Landesbeschreibungen Südkoreas und Nordkoreas

Autor: Markus Kappeler, Schweiz

Anmerkung:
ungekürzte, unveränderte Originalfassung mit freundlicher Genehmigung von Markus Kappeler
Für den Inhalt ist der o.g. Autor selbst verantwortlich.


Südkorea
Nordkorea


 
 



Südkorea


© 1992 Markus Kappeler / Groth AG
(erschienen in der «Flags of the Nations» Stamp Collection,
Groth AG, Unterägeri)
 
 

Seit dem Waffenstillstand von Panmunjom, der 1953 den Koreakrieg beendete, ist die Koreanische Halbinsel, die in ihrer ganzen Geschichte eine politische Einheit gebildet hatte, geteilt. Nördlich der in Höhe des 38. Breitengrads verlaufenden Waffenstillstandslinie liegt die Demokratische Volksrepublik Korea («Nordkorea»), südlich davon die Republik Korea («Südkorea»), welche die Tradition des alten koreanischen Reichs fortführt und von der hier die Rede sein soll.
 
 

Stets Berge im Blickfeld

Südkorea ist ein bergiges Land. Es wird von einer sogenannten «Pultscholle» gebildet, welche von der flachen Küste am Gelben Meer gegen Osten allmählich ansteigt und dann steil zum Japanischen Meer abfällt. Den Scheitel der Pultscholle bildet die Taebaek-Kette, welche Erhebungen von bis über 1700 Meter aufweist. Von der Taebaek-Kette zweigen nach Westen und Südwesten verschiedene Gebirgszüge und davon wiederum seitliche Ausläufer ab. Sie sorgen dafür, dass man fast nirgendwo im Land die Berge aus den Augen verliert. Ausgerechnet der höchste Gipfel Südkoreas befindet sich jedoch nicht auf der Halbinsel selbst, sondern auf der 90 Kilometer vor der Südküste gelegenen Insel Cheju, der einzigen Inselprovinz Südkoreas, und heisst Halla-san (1950 m).

Südkorea liegt im Bereich der ostasiatischen Monsunwinde, welche starke Unterschiede zwischen den Jahreszeiten bewirken. Im Winter blasen frostige Nordwestwinde vom Kontinent her und bescheren dem Land mitunter eine dicke Schneedecke. Im Sommer wehen dagegen laue Südostwinde vom Meer her. Sie bringen Südkorea viel warme Feuchtigkeit, die in Form heftiger Regenfälle besonders auf den Süden des Lands nieder geht und zu subtropischen Verhältnissen führt. In günstigen Regionen können dadurch zwei Reisernten im Jahr eingebracht werden. Eine besonders schöne Jahreszeit ist in Südkorea der Frühling, der reich an wohlduftenden Blüten ist. Eine breite Palette unterschiedlichster Pflanzenarten verwandelt dann das Land in ein buntes Gemälde: im buchtenreichen Süden blühen Kamelien und Magnolien, im tiefliegenden Westen Chrysanthemen und Forsythien und in den Bergen des Ostens Thuja und Ginko.
 
 

Herr Kim aus Pusan

Über 50 Prozent aller Südkoreaner tragen einen der vier Familiennamen Kim, Li, Pak oder Choi. Rund 30 Prozent der Bevölkerung kommen mit weiteren 15 Namen aus, darunter Chung, Han, Kang, Cho und Lim. Und landesweit gibt es nur ungefähr 250 verschiedene Familiennamen in Südkorea. Diese Namensarmut rührt daher, dass es im alten Korea nur der Oberschicht vergönnt gewesen war, einen Namen zu tragen. Der Besitz eines Namens galt als hohe Auszeichnung und wurde nur wenigen Familien zuteil.

Natürlich besitzt jeder Südkoreaner und jede Südkoreanerin auch einen persönlichen Namen, eine Art «Vornamen», der jedoch stets dem Familiennamen hintangestellt wird. Diese Reihenfolge macht deutlich, dass - ganz im Sinn des Konfuzianismus - nicht das einzelne Individuum zählt, sondern die Familie. Koreanischer Überlieferung gemäss bestimmt der (gewöhnlich zweiteilige) persönliche Name das Schicksal seines Trägers, und in diesem Glauben geben die Eltern ihren Söhnen und Töchtern gerne Namen, die Erfolg oder Tugendhaftigkeit verheissen. Typische Beispiele sind «Strahlender Held» für einen Knaben und «Kristallklare Wahrheit» für ein Mädchen.

So schön die Vornamen der Südkoreaner aber klingen: Verwendet werden sie im Alltag kaum je. Die europäisch-amerikanische Sitte, einander beim Vornamen zu rufen, gilt in Südkorea nämlich als barbarisch. Sogar innerhalb der Familie vermeidet man nach Möglichkeit die Nennung der persönlichen Namen, und in aller Öffentlichkeit sind sie sowie so tabu. Die Jüngeren weichen gegenüber Älteren auf Bezeichnungen aus, welche ehrenvoll klingen, so zum Beispiel «Meister» oder «Lehrerin». Und die Älteren reden die Jüngeren etwa mit «Kind» oder «Tochter» bzw. «Sohn» an. Auf diese Weise wird - wiederum im Sinn des Konfuzianismus - stets die Rangordnung innerhalb der Gemeinschaft hervorgehoben.

Machen sich zwei Koreaner miteinander bekannt, so nennen sie zuerst ihren Familiennamen und dann - nein, nicht den Vornamen, sondern ihren Geburtsort. Da heisst es dann beispielsweise: «Ich bin Herr Kang aus Taegu» und «Ich bin Frau Kang aus Sokcho». Die beiden gehören trotz gleichen Familiennamens verschiedenen Sippen an, das ist jedem Koreaner klar. Ebenso gewiss ist, dass im Fall von «Ich bin Herr Kim aus Pusan» und «Ich bin Frau Kim aus Pusan» von verwandtschaftlichen Banden auszugehen ist - selbst wenn in der Dreieinhalbmillionenstadt Pusan mehrere hunderttausend Kim wohnen... Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit unter Namensvettern mit gleichem Ursprungsort ist - erneut im Sinn des Konfuzianis mus - Ausdruck der traditionellen Sippentreue.

Für den Einzelnen kann dies zuweilen seine Schattenseiten haben: Innerhalb der Sippe besteht nämlich ein Heiratsverbot, und dies macht auch in der heutigen Zeit immer wieder eingehende Abklärungen notwendig, wenn sich zwei junge Menschen gleichen Familiennamens und gleicher Herkunft das Ja-Wort geben wollen. Selbst wenn die Sippe riesenhaft gross ist, müssen sie strenge medizinische Untersuchungen über sich ergehen lassen. Und gibt es den kleinsten Hinweis auf eine Blutsverwandtschaft, so wird die Heirat abgesagt. Der Konfuzianismus verlangt vom Einzelnen strenge Disziplin und Einhaltung der Moralgesetze.
 
 

Klassendenken

Die Ehrerbietung des Jüngeren gegen über dem Älteren, die Loyalität des Einzelnen gegenüber der Familie, die strikte Befolgung der gesellschaftlichen Normen, die Verehrung der Ahnen: In der Handhabung der Namen durch die Südkoreaner treten die grundlegenden Tugenden des Konfuzianismus deutlich zu Tage - jenes philosophischen Gedankenguts, das etwa zu Beginn unserer Zeitrechnung von China nach Korea gelangt war und die südkoreanische Gesellschaft bis auf den heutigen Tag prägt wie sonst nichts.

Der Konfuzianismus geht auf den chinesischen Meister Kong Fu-zi zurück, der von 551 bis 479 v.Chr. lebte. Zwar hat er selbst kein geschriebenes Wort hinterlassen. Seine Ideen wurden jedoch von seinen Schülern in den vier Werken «Die grosse Lehre», «Die Lehre von der Mitte», «Gespräche des Konfuzius» und «Menzius» festgehalten. Von den koreanischen Machthabern wurde das konfuzianische Gedankengut stets massiv gefördert, denn ein Beamtenapparat, in welchem jeder Untergebene seinem Vorgesetzten widerspruchslos dient, kann die bestehenden Machtstrukturen nur festigen. So war unter dem Einfluss des Konfuzianismus schon früh ein ausgeprägtes Klassensystem entstanden. Unter der herrschenden Königsfarnilie hatte sich eine breite Adelsschicht herausgebildet, die sich aus den die nationale Sicherheit gewährleistenden Offizieren und den das Land verwaltenden höheren Beamten zusammensetzte. Ihnen standen praktisch alle anderen Bürger, die «gewöhnlichen» Leute, gegenüber. Unter diesen bildeten sich später noch die Schicht der Rechtlosen und die der Sklaven heraus, und zwischen dem einfachen Volk und dem Adel entstand mit der Zeit noch die Mittelschicht.

Diese streng hierarchische Gesellschaftsstruktur wurde zwar im Rahmen allgemeiner Reformbestrebungen nach 1894 abgeschafft. Allerdings nur auf dem Papier; in den Köpfen der Südkoreaner existiert sie bis heute weiter und bildet ein Grundprinzip ihrer Gesellschaft. Auch wenn heute die «Oberschicht» und die «Mittelschicht» rechtlich gesehen gegenüber der «Unterschicht» keinerlei Privilegien mehr geniessen, so sind sie aufgrund des Klassendenkens dennoch in vielerlei Hinsicht bevorteilt.

Die Mittelschicht, zu der etwa Akademiker, Kaufleute und Facharbeiter zählen, wächst heute unverhältnismässig stark an, denn immer mehr Vertreter der Unterschicht schaffen, was früher kaum möglich war: den begehrten Sprung in die nächsthöhere Klasse. Voraussetzung zum Aufstieg sind eine gute Ausbildung und die richtigen Beziehungen. Alle südkoreanischen Eltern sind deshalb darauf bedacht, ihre Sprösslinge möglichst in den «richtigen» Kindergarten, in die «richtige» Schule und an die «richtige» Universität zu schicken. Die Aufnahmeprüfungen an diesen Instituten sind jedoch hart, und nur die Allerbesten sind letztlich erfolgreich in ihren Bestrebungen. Während der Ausbildung am «richtigen» Ort können dann die «richtigen» Kontakte geknüpft werden, welche später die berufliche und gesellschaftliche Karriere ermöglichen. Eine gute Bildung und hochkarätige Beziehungen - und vielleicht noch die Wahl des richtigen Ehepartners - sind das A und O für einen Platz an der südkoreanischen Sonne.
 
 

Von Allzweckzimmern und Fussbodenheizungen

Das im Konfuzianismus begründete Klassendenken erstreckt sich nicht nur auf die Gesellschaft im allgemeinen, sondern durchdringt auch jede einzelne Familie. So hat das Familienoberhaupt Anspruch auf den Gehorsam aller Familienmitglieder. Andererseits ist es seine Pflicht, für den Unterhalt der ganzen Familie, die oft mehrere Generationen umfasst, aufzukommen.

Das Familienoberhaupt vertritt die Familie nach aussen, während seine Gattin für ein geordnetes Leben im Haus zuständig ist. Weibliche Bereiche («Yin») und männliche Zuständigkeiten («Yang») sind verschieden und müssen getrennt sein. Aber nur zusammen, so sagt die konfuzianische Philosophie, ergeben sie ein harmonisches Ganzes. Eine Konsequenz hieraus ist, dass in jedem der bungalowähnlichen südkoreanischen Häuser die Räume für die Männer von denen für die Frauen getrennt sind. Rund um den Hauptraum des Hauses, der als Empfangshalle dient, sind verschiedene Nebenräume angeordnet, in denen auf der einen Seite die Männer und auf der anderen Seite die Frauen leben und arbeiten. Kein Mann würde jemals uneingeladen den Frauenbereich betreten, und keine Frau würde es wagen, in den Bereich der Männer vorzudringen. So wenig wie es die Öffentlichkeit etwas angeht, was innerhalb eines Privathauses geschieht, so wenig geht es das einzelne Familienmitglied etwas an, was in den anderen Zimmern des Hauses vor sich geht. Die Privatsphäre ist den Südkoreanern heilig.

Keiner der Nebenräume ist übrigens einem speziellen Zweck vorbehalten. Es kann in jedem Raum gegessen, gearbeitet und geschlafen werden. Die Einrichtung ist gewöhnlich sparsam und wird je nach aktueller Verwendung des Zimmers variiert. Möbelstücke, die gerade unnötig oder hinderlich sind, werden an die Wand geschoben oder ausserhalb des Hauses deponiert. Niemals werden im übrigen die Zimmer mit Schuhen betreten. Dass es im Winter dennoch keine kalten Füsse gibt, dafür sorgt «Ondol»: eine Fussbodenheizung, die schon vor 1300 Jahren aus China übernommen worden war und bei der von einer zentralen Feuerstelle her heisse Luft durch ein Kanalsystem aus Backsteinen unter dem Fussboden strömt.
 
 

Schamanen beschwören Geister

Neben dem Konfuzianismus gibt es in Südkorea durchaus noch andere philosophisch-religiöse Glaubensrichtungen: Besonders auf dem Land sind überlieferte schamanische Vorstellungen weitverbreitet. Schon vor über 3000 Jahren scheinen in den religiösen Vorstellungen des koreanischen Volks Geister, Totemtiere und Legenden aller Art eine bestimmende Rolle gespielt zu haben. Der Furcht vor den bedrohlichen Kräften der Natur setzte es den Glauben in die vermittelnden Kräfte seiner männlichen und weiblichen «Mudang» (Schamanen, Priester) entgegen. Diese hatten die Aufgabe, Kontakt aufzunehmen mit den Geistern der Winde und des Regens, dem für ein Dorf «zuständigen» Berggeist, den vielen Hausgeistern und den Seelen der Verstorbenen, um so die Dorfgemeinschaft vor Krankheit, Hunger und anderem Ungemach zu bewahren. Schamanistische Zeremonien werden noch heute dann und wann abgehalten, was zeigt, dass dieses sehr alte Gedankengut in der südkoreanischen Gesellschaft noch immer lebendig ist. Sichtbare Zeichen von Schamanismus sind die an den Dorfeingängen postierten «Chang-gun»-Pfähle, welche die Dorfbewohner vor bösen Geistern schützen sollen, sowie die kleinen Steinhaufen, welche von den Wanderern zur Besänftigung der Weg- und Berggeister hier und dort aufgehäuft werden.

Ab dem 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung fasste der Buddhismus in Korea Fuss. Er war aus Indien über China nach Korea gelangt und erlebte hier vom 10. bis zum 14. Jahrhundert eine Blütezeit. Der wiederholte Missbr auch des Buddhismus zur Ausübung weltlicher Macht brachte den Glauben später jedoch in Verruf und schmälerte seine Bedeutung. Noch immer bilden die Buddhisten aber mit über ll Millionen bekennenden Mitgliedern die zahlenmässig grösste Religionsgemeinschaft in Südkorea. Sie alle streben danach, den Kreislauf der Wiedergeburt zu durchbrechen und ins «Nirwana», den Zustand absoluter Wunschlosigkeit, einzugehen.

Das Christentum hatte es lange Zeit sehr schwer, sich in Südkorea anzusiedeln, denn erst im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden seine Verkünder auf der Halbinsel zugelassen. Im Sog der Neuorientierung der Südkoreaner nach Westen wuchs die christliche Gemeinde aber nach dem Zweiten Weltkrieg rasant an und gehört heute mit etwa 9 Millionen bekennenden Christen (7,5 Millionen Protestanten, 1,5 Millionen Katholiken) zu den wichtigsten Religionen des fernöstlichen Landes.
 
 

Computer neben Ginseng

Südkorea hat sich in den vergangenen Jahrzehnten rasant zu einem hochindustrialisierten und wohlhabenden Staat entwickelt, der auf der Weltrangliste der Länder mit dem grössten Bruttosozialprodukt Rang 16 einnimmt, gleich hinter der Schweiz. Die traditionell hochgehaltenen Werte Fleiss und Disziplin sowie das Streben nach guter Bildung und beruflicher Karriere haben entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen. Textilien, Elektroartikel und Fahrzeuge stehen heute dank niedriger Löhne der Arbeitnehmer auf dem internationalen Markt fast konkurrenzlos da. Und Industriezentren schiessen in Südkorea weiterhin wie Pilze aus dem Boden.

Wichtige Weichen hat Südkorea für die Zukunft bereits gestellt: Enorme Summen werden in die wissenschaftlich-technische Forschung investiert. Denn ob im Computerbau, in der Automatisierung oder in der Feinmechanik: Südkorea will die Nase vorn haben. Angesichts der Tugendhaftigkeit des südkoreanischen Volks bestehen keine Zweifel, dass es seine hochgesteckten Ziele auch errei hen wird.

Dass die Südkoreaner dabei niemals ihre traditionellen Werte aus den Augen verlieren, zeigt sich am Beispiel der Medizin sehr schön: Zwar ist die westliche, auf Forschung und Analyse beruhende Medizin in Südkorea heute sehr hoch entwickelt. Aber sie ist nur ein Teil des medizinischen Angebots. Traditionelle Heilverfahren wie die Akupunktur und die Moxibustion, welche durch Stechen bzw. durch Erwärmen bestimmter Körperpunkte eine Wirkung auf die zu behandelnden Körperteile haben, werden noch immer allgemein angewendet. Im weiteren spielen Heilpflanzen, darunter besonders die Ginseng-Wurzel, eine wichtige Rolle. Bei all diesen althergebrachten Heilmethoden geht man davon aus, dass die dualistischen Kräfte Yin und Yang, die das Universum steuern, auch im Menschen drin wirken, und dass Krankheiten lediglich der Ausdruck einer Disharmonie dieser beiden Kräfte im Körper sind. Wenn wir an die vielen hitzigen Diskussionen bei uns im Westen über die «ganzheitlichen« Heilverfahren denken, so können wir das südkoreanische Volk ob seines Reichtums an Heilmethoden und seiner Fähigkeit, Alt und Neu in Einklang zu bringen, nur beneiden.
 
 
 
 
 
 

Kasten: Yin und Yang auf der Flagge

Die Flagge Südkoreas symbolisiert einen zentralen Gedanken der fernöstlichen Philosophie: Auf weissem Grund als Sinnbild des Friedens ist ein Kreis dargestellt, der durch eine S-förmige Linie in zwei gleiche Hälften geteilt wird. Der obere, rote Teil stellt «Yang» dar, der untere, blaue Teil «Yin». Die beiden Begriffe stehen für den allgegenwärtigen Dualismus im Universum: Tag und Nacht, männlich und weiblich, plus und minus, Aufbau und Zerstörung. Das Yin-Yang-Zeichen ist ein sehr altes, ursprünglich aus China stammendes Symbol, welches veranschaulichen will, dass trotz ständiger Bewegung (Wellenform) und starken Gegensätzen (rot und blau) allüberall Ausgewogenheit und Harmonie (Kreis) herrschen.

Die jeweils drei Balken in den vier Ecken der Flagge sind alte Schriftzeichen und symbolisieren ebenfalls die Idee der widerstreitenden, in ihrer Gesamtheit aber ausgewogenen Kräfte: Die drei ungebrochenen Balken (oben links) stehen für den Himmel, die drei gegenüberliegenden, gebrochenen Balken stellen die Erde dar. Das Feuer versinnbildlichen die zwei ganzen Balken mit einem gebrochenen in der Mitte (unten links); ihnen gegenüber liegt das Symbol für Wasser, das aus einem ungebrochenen zwischen zwei gebrochenen Balken besteht.



Stichwortinformationen

Ebenso rasant, wie sich Südkorea in den letzten drei Jahrzehnten in ein asiatisches Wirtschaftswunderland verwandelt hat, ist seine Hauptstadt Seoul angewachsen. Längst hat sie ihren mittelalterlichen Mauergürtel gesprengt und sich ins «Hinterland» ausgeweitet, um Arbeits- und Wohnraum für die mittlerweile zehn Millionen Einwohner bereitstellen zu können. Allzuviel Altes blieb dabei nicht erhalten. Manches wurde dem Fortschritt geopfert, vieles aber auch im Koreakrieg verwüstet.

Pusan, an Südkoreas buchtenreicher Südküste gelegen, ist mit 3,5 Millionen Einwohnern die zweitgrösste Stadt des Lands und sein wichtigster Hafen. Vom Aussichtsrestaurant des 120 Meter hohen, im zentralen Yongdusan-Park aufragenden Fernsehturms bietet sich ein eindrucksvoller Panoramablick über ganz Pusan und die vorgelagerte Halbinsel- und lnselwelt.

Bulguksa - 535 erbaut und 751 erweitert - ist die älteste und mit ihren zu Nationalschätzen erklärten Pagoden auch bedeutendste buddhistische Tempelanlage Südkoreas. Sie befindet sich etwa fünfzehn Kilometer von Kyongyu entfernt am südlichen Abhang des Toham-Bergs Die zauberhaft gestaltete, weitläufige Parklandschaft und die natürliche Ruhe, die über allem schwebt, machen Bulguksa zu einem der beliebtesten Ausflugsziele der Südkoreaner.

Der Buddhismus ist die zahlenmässig wichtigste Religion Südkoreas Neben rund 15 000 Mönchen bekennen sich über 11 Millionen Südkoreaner und Südkoreanerinnen zu diesem Glauben. Landesweit stehen ihnen 2397 Tempel und Schreine zur inneren Einkehr zur Verfügung. Das Bild zeigt einen Mönch auf dem Weg zum Gebet im Tongdo-Tempel in der Nähe von Pusan.

Die koreanische Sprache gehört - wie das Ungarische und Finnische - zur ural-altaischen Sprachfamilie und ist mit dem Chinesischen oder Japanischen nicht verwandt. Trotzdem schrieben die Koreaner ihre Sprache ursprünglich mit chinesischen Schriftzeichen, was nicht nur sehr kompliziert war, sondern der Phonetik des Koreanischen auch nicht gerecht wurde. Auf Initiative von König Sejong wurde deshalb im 15. Jahrhundert von einer Gelehrtengruppe ein eigenes Alphabet, das «Hangul», entwickelt, das sich bis heute bewährt hat. Mit lediglich 24 Buchstaben - 14 Konsonanten und 10 Vokalen - gilt es als eine der einfachsten Schriften der Welt und seine Erfindung als eine der bedeutendsten Kulturtaten Koreas.

«Die beste Aussicht hat keinen Reiz, wenn der Tisch leer ist», besagt ein koreanisches Sprichwort. Die Südkoreaner essen in der Tat gern und gut und mit Genuss - und am liebsten in Gesellschaft. Die koreanische Küche ist entsprechend vielseitig und schmackhaft. Gegessen wird gewöhnlich mit Stäbchen oder Löffel an niedrigen Tischen mit untergeschlagenen Beinen. Dazu trinkt man zumeist einen dünnen Reistee, manchmal auch einen Tee aus Ginseng, Ingwer, Zimt oder anderen Kräutern.



Nordkorea


© 1990/98 Markus Kappeler / Groth AG
(erschienen in der «Flags of the Nations» Stamp Collection,
Groth AG, Unterägeri)
 
 

Die Demokratische Volksrepublik Korea, aufgrund ihrer Lage auf der Koreanischen Halbinsel im allgemeinen schlicht «Nordkorea» genannt, wird seit 1948 von Kim Il Sung regiert, der als einer der letzten «hartnäckigen» kommunistischen Führer der Welt gilt. Gemäss seinen Äusserungen ist das sozialistische System, das Nordkorea zugrunde liegt, ein echtes demokratisches System, das die politischen Rechte und Freiheiten der Arbeiter, Bauern und anderen Werktätigen garantiert. In Wirklichkeit unterdrückt aber wohl kein anderes Regime der Erde seine Bürger so total, wie dies in Nordkorea der Fall ist. Und wohl niemand sonst auf der Welt spricht seinen «Untertanen» in solchem Ausmass jegliche Individualität ab und degradiert sie zu roboterhaften Wesen, wie dies Kim Il Sung tut.

Die Ausübung der demokratischen Rechte und Freiheiten darf in Nordkorea nicht im geringsten gegen die Staatsideologie verstossen. Jegliche Kritik wird mit polizeistaatlichen Methoden rigoros unterbunden, öffentliche Opposition keinesfalls geduldet. Zu diesem Zweck wird nicht zuletzt die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung innerhalb des Staats massiv beschränkt. Jedermann ist verpflichtet, ständig seine Identitätskarte auf sich zu tragen. Für jede Reise braucht es eine behördliche Erlaubnis. Und private Motorfahrzeuge sind ohnehin nicht erlaubt.

Für die politische Kontrolle und die innere Sicherheit verfügt Kim Il Sung über die mit rund 800 000 Soldaten fünftgrösste Armee der Welt sowie ausserordentlich umfangreiche Polizeikräfte, zu deren wichtigsten Aufgaben die Überwachung der Bevölkerung gehört. Ferner existieren mehrere Straflager, in denen Zehntausende fehlbarer Bürger als politische Gefangene die ihnen zugedachte «Erziehung» erhalten.

Noch an seiner Neujahrsansprache 1990, in Kenntnis des Sturzes sowohl des ostdeutschen wie des rumänischen Regimes bekräftigte Kim Il Sung die Entschlossenheit seines Landes, am Sozialismus festzuhalten, mit den Worten: «Wir werden zuverlässig den Frieden und den östlichen Posten des Sozialismus verteidigen.» Ob ihm das noch lange gelingen wird, ist allerdings fraglich.
 
 

Schwülwarme Sommer, bitterkalte Winter

Nordkorea umfasst den nördlichen Bereich der Halbinsel Korea und einen Teil des angrenzenden ostasiatischen Festlands. Im Norden bilden die Flüsse Amnok Kang und Ihman Gang die Grenze zu China sowie (auf 25 Kilometern Länge) zur Sowjetunion. Die Grenze zur Republik Korea («Südkorea») im Süden verläuft etwa in Höhe des 38. Breitengrads quer durch die Halbinsel. Mit einer Fläche von 120 538 Quadratkilometern ist Nordkorea knapp dreimal so gross wie die Schweiz und hat mit rund 22 Millionen Einwohnern ungefähr dreieinhalb mal soviele Einwohner wie diese.

Nordkorea ist überwiegend ein Gebirgsland. Im Norden und Osten steigen die zerklüfteten Bergketten vom Japanischen Meer steil bis auf über 2500 Meter hoch und bilden teils ausgedehnte Hochplateaus. Die höchste Erhebung ist mit 2744 Metern der Paekdu San, ein alter, stark abgetragener Schildvulkan mit einem bezaubernden, von vielen Legenden umrankten Kratersee namens Chon Ji («Himmlischer See»).

Von den hohen Erhebungen im nordöstlichen Bereich Nordkoreas fällt das Land allmählich nach Westen ab, und an der Küste des Gelben Meers liegen schliesslich ausgedehnte, fruchtbare Schwemmlandebenen, die sich trichterförmig zu den Küsten hin öffnen. Besonders grossflächig ist das Küstentiefland am Unterlauf des Taedong Gang. Hier befindet sich nicht nur die «Reiskammer» des Landes, sondern auch das Zentrum der Industrie und die Hauptstadt Pyongyang. Demgegenüber ist das nördliche und östliche, von dichten Nadelwäldern überzogene Bergland ein recht dünn besiedelter, wenig genutzter Teil Nordkoreas.

Das Klima Nordkoreas ist geprägt durch grosse Unterschiede zwischen schwülwarmen Sommern und frostigen Wintern, ausgelöst durch den jahreszeitlichen Wechsel der Monsunwinde. Im Sommer bringt der Südwestmonsun warme und feuchte Luftmassen vom Gelben Meer her. Sie führen zu ergiebigen Niederschlägen und mittleren Julitemperaturen im Tiefland zwischen 21° und 27° Celsius (Pyongyang: 24°). Die Winter stehen dagegen unter dem Einfluss kalter und trockener Luftmassen, die vom Nordwesten, das heisst vom Kontinent her, wehen, und sind ausserordentlich streng. Die durchschnittlichen Monatstemperaturen liegen von November bis April unter 0° Celsius. So hat Pyongyang ein Januarmittel von -8° Celsius!

Die Nordkoreaner sind von ihrer Abstammung her ein sehr einheitliches Volk, dessen Wurzeln auf Mongolenstämme zurückgehen, welche in vorgeschichtlicher Zeit aus der Mandschurei auf die Koreanische Halbinsel einwanderten. Im Durchschnitt sind die Nordkoreaner etwas kleiner als die Chinesen und etwas grösser als die Japaner.

Vorherrschende Religion war einst der Buddhismus gewesen, der dann später vom Konfuzianismus abgelöst wurde. Letzterer ist im Grunde genommen keine Religion, sondern eine Moral-, Gesellschafts- und Staatslehre, welche auf den chinesischen Philosophen Konfuzius zurückgeht. Besonders wichtige konfuzianische Tugenden sind der Gehorsam des Jüngeren gegenüber dem Älteren, die Loyalität gegenüber den Herrschenden und die Treue unter Freunden. Ein in konfuzianischer Ethik erzogener Asiate ist sich seiner Stellung in der sozialen Hierarchie voll bewusst und nimmt die Demütigungen von oben widerspruchslos hin, um sie genauso selbstverständlich nach unten weiterzugeben.

Zwar besteht heute in Nordkorea offiziell Religionsfreiheit. Die Religionsausübung darf jedoch keinesfalls der kommunistischen Partei und ihrer Ideologie zuwiderlaufen. Die meisten Nordkoreaner haben demzufolge nur geringes Interesse für Religion oder stehen ihr sogar feindlich gegenüber.
 
 

Vor dem Zweiten Weltkrieg: ein Korea

Als eigener Staat existiert Nordkorea erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Zuvor, während fast 1300 Jahren, war die Koreanische Halbinsel eine politische Einheit gewesen.

Die ersten koreanischen Staaten entstanden um Christi Geburt: Damals bildeten sich aus drei grossen Stammesgruppen die drei rivalisierenden Reiche Koguryo im Norden, Paekche im Zentrum und Silla im Süden der Halbinsel. Im Jahr 661 gelang es dem Herrscher von Silla, die beiden anderen Reiche zu erobern und die ganze Koreanische Halbinsel zu einem einzigen Staatsgebilde zu vereinen. Über drei Dynastien hinweg (Silla-Dynastie 661-935, Koryo-Dynastie 935-1392, Yi-Dynastie 1392-1910) vermochte nun Korea (trotz wiederholter Einfälle fremder Völkerschaften) seine politische Einheit zu bewahren und eine eigenständige Kultur zu entwickeln, die zu hoher Blüte gelangte. Der Konfuzianismus verdrängte den Buddhismus, die koreanische Schrift wurde erfunden, und Seoul entwickelte sich zum überragenden Machtzentrum.

Zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde die kulturelle Entwicklung Koreas jedoch jäh unterbrochen durch den Angriff der expansionsfreudigen Japaner. Nachdem diese 1894/95 China und 1904/05 Russland besiegt hatten, besetzten sie im Handstreich auch Seoul und brachten anschliessend die ganze Halbinsel unter ihre Kontrolle. 1910, nach der erzwungenen Abdankung des letzten Yi-Herrschers, wurde Korea von Japan annektiert.

Es folgten 35 Jahre der japanischen Kolonialherrschaft (1910-1945), während der Korea zum militärischen Aufmarschgebiet für Japans Grossmachtpläne ausgebaut wurde. Mit der Errichtung einer neuzeitlichen Infrastruktur, der Realisierung grosser Landnutzungsprojekte und der Erschliessung der Minerallagerstätten sowie der Wasserkraftreserven vollbrachten die Japaner enorme Leistungen, welche Korea praktisch vom Mittelalter in die Neuzeit führten (und die nicht zu verleugnende Basis für die moderne Entwicklung der Halbinsel bildeten). Tiefe, bis heute nicht voll verheilte Wunden hinterliess jedoch die nationale und kulturelle Unterdrückung des koreanischen Volks durch die Japaner. Obschon der Schulunterricht nurmehr in japanischer Sprache stattfand und die Benutzung der koreanischen Schrift verboten war, ja die Koreaner sogar gezwungen wurden, ihre eigenen Namen zugunsten japanischer aufzugeben, blieb die koreanische Kultur im Untergrund lebendig.

Die Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg und seine Kapitulation im August 1945 brachte den Koreanern dann endlich das lang herbeigesehnte Ende der demütigenden Unterjochung.
 
 

Nach dem Zweiten Weltkrieg: zwei Korea

Leider brachte das Kriegsende den Koreanern aber nicht die erhoffte Selbständigkeit in nationaler Einheit, sondern eine krasse politische, wirtschaftliche und ideologische Teilung des Landes, die bis heute fortbesteht. Das von Japan auf der Koreanischen Halbinsel hinterlassene «Machtvakuum» wurde nämlich nicht von einer einzelnen Siegernation ausgefüllt, sondern von sowjetischen Streitkräften im Norden und von amerikanischen Truppen im Süden. Als provisorische Grenze zwischen den beiden Besatzungszonen wurde der 38. Breitengrad festgelegt.

Nachdem sich die beiden Grossmächte, zwischen denen ein ziemlich gespanntes Verhältnis bestand, über die Einrichtung einer Zentralregierung für die gesamte Halbinsel nicht einigen konnten, wurde die Angelegenheit den Vereinten Nationen unterbreitet, welche sich bereit erklärten, vorgeschlagene freie Wahlen in beiden Besatzungszonen zu überwachen.

1948 war dann tatsächlich eine UN-Kommission bei den Wahlen in der amerikanischen Besatzungszone anwesend, welche zur Gründung der unabhängigen Republik Korea («Südkorea») führten. Die Sowjetunion verweigerte dann jedoch den UN-Gesandten die Einreise in das von ihnen besetzte Gebiet und errichtete eigenmächtig am 9. September 1948 nach sowjetischem Vorbild die Demokratische Volksrepublik Korea mit einem kommunistischen Regime.

Die Spannungen zwischen den beiden Korea, welche beide für sich die Souveränität über die gesamte Halbinsel forderten, nahmen massiv zu, nachdem 1949 die amerikanischen und die sowjetischen Truppen von der Halbinsel abgezogen worden waren. 1950 fielen schliesslich nordkoreanische Truppen in Südkorea ein und versuchten, das Land mit Gewalt zu vereinigen. Der Koreakrieg nahm seinen Lauf, bei dem UN-Truppen aus 16 Ländern, hauptsächlich aber aus den USA, die südkoreanische Armee unterstützten, während auf der Seite Nordkoreas schweres sowjetisches Kriegsgerät und 200 000 chinesische «Freiwillige» zur Schlagkraft der Armee beitrugen.

Die Kämpfe hielten bis Mitte 1953 an und endeten letztlich ergebnislos mit einem Waffenstillstand und dem 38. Breitengrad als neuerlicher innerkoreanischer Grenze. Der unsinnige Krieg hatte über eine Millionen Menschenleben gefordert und den grössten Teil der Halbinsel zerstört. Ausserdem kam nun zu der territorialen Trennung noch eine tiefe ideologische Spaltung der beiden koreanischen Nationen hinzu. Die Kluft mitten durch die Koreanische Halbinsel teilt seither das Land und sein Volk in einer Schärfe, wie dies an kaum einem anderen Punkt der Erde der Fall ist.

Bis zum heutigen Tag sind Millionen koreanischer Familien getrennt, ohne auch nur den geringsten Kontakt zu ihren Angehörigen auf der anderen Seite der Grenze zu haben. Es gibt weder Post noch Telefonverbindungen und schon gar keinen Personenverkehr zwischen den beiden Korea. Während in Europa Stacheldraht und Wachtürme des «Eisernen Vorhangs» offenen Grenzen Platz machen, ist die vier Kilometer breite entmilitarisierte Zone entlang des 38. Breitengrads auf der Koreanischen Halbinsel noch immer die undurchdringlichste und tödlichste Grenzregion der Welt.

Politische Beobachter sind allerdings der Ansicht, dass die beiden koreanischen Staaten angesichts der politischen Umwälzungen im restlichen Eurasien nicht mehr länger so tun könnten, als ob der «Kalte Krieg» noch andauere. Tatsächlich gibt es zur Zeit der Drucklegung dieses Berichts gewisse Zeichen, die darauf hindeuten, dass vielleicht schon bald auch auf der Koreanischen Halbinsel etwas in Fluss geraten könnte. Beide Seiten haben jedenfalls in jüngerer Zeit davon gesprochen, durch eine Öffnung der entmilitarisierten Zone bei Panmunjom den Reiseverkehr koreanischer Zivilisten zwischen Nord- und Südkorea zu ermöglichen. Sogar von der «vollkommenen Aussöhnung» zwischen den beiden Korea war die Rede.

«Wenn sich die Worte in Taten verwandelten, könnte die Trennung der Koreanischen Halbinsel schon demnächst der Geschichte angehören. Grosse Worte und Versprechen hat es in der langen und wirren Geschichte zwischen den beiden Korea aber leider schon allzu oft gegeben.» So kommentierte kürzlich ein Journalist wenig optimistisch die gegenwärtige Entwicklung zwischen Pyongyang und Seoul. Hoffen wir mit dem koreanischen Volk, dass es diesmal ernst gilt!
 
 

Kim Il Sung - «die grosser Sonne der Nation»

Die zentrale Figur des 1948 von der Sowjetunion eingesetzten Regimes hiess Kim Il Sung (korean. «Il Sung» - «die künftige Sonne»). 1912 als Sohn eines Lehrers bei Pyongyang geboren und im Alter von vierzehn Jahren mit seinen Eltern in die Mandschurei ausgewandert, hatte er in den dreissiger Jahren das Kommando über eine kleine Guerillaeinheit und führte diverse, militärisch allerdings wenig bedeutsame Operationen gegen die Japaner im mandschurisch-koreanischen Grenzgebiet durch. Später kämpfte er in der sowjetischen Armee an der europäischen Front, darunter auch in der Schlacht um Stalingrad. 1945 kehrte er dann als Major der Roten Armee nach Korea zurück, und 1948 wurde er zum Premierminister der neu ausgerufenen Demokratischen Volksrepublik Korea erkoren.

Als 1972 eine neue Verfassung verabschiedet wurde und das Amt des Staatspräsidenten zu besetzen war, gab es wiederum nur einen ernsthaften Kandidaten für dieses Amt: Kim Il Sung. Als erster und bisher einziger Staatspräsident Nordkoreas verfügt Kim Il Sung über eine praktisch unbegrenzte Machtfülle: Er ist nicht nur Vorsitzender der Obersten Volksversammlung (der höchsten legislativen Körperschaft), sondern leitet auch die Sitzungen des Staatsrats (der obersten exekutiven Körperschaft) und verfügt als Oberkommandierender aller Streitkräfte über die oberste militärische Befehlsgewalt. Überdies ist er der Generalsekretär der kommunistischen Partei («Arbeiterpartei Koreas»), welche die politische Macht im Hintergrund verkörpert. Kim Il Sungs Wort ist in Nordkorea Gesetz.

Kim Il Sungs Person, sein Leben und sein Wirken wurden schon früh in mythologischer Verklärung zur Legende aufgebaut. Das Staatsoberhaupt wird heute als «verehrter und geliebter Führer», als «die grosse Sonne der Nation» und als «wohltätiger Vater des koreanischen Volkes» gepriesen. Im übersteigerten Personenkult um King Il Sung, dessen Erscheinen als «die grösste Freude und das höchste Glück für das koreanische Volk in seiner fünftausendjährigen Geschichte» gefeiert wird, verbindet sich konfuzianisches Hierarchiedenken mit buddistischen Erleuchtungsthesen und christlichem Erlöserglauben.

Es ist nicht zuletzt diese Verherrlichung Kim Il Sungs, welche dafür sorgt, dass der mittlerweile 79-Jährige das Leben «seiner» Bürger beherrscht wie wohl kein zweites Staatsoberhaupt der Erde. Ehe und Familie, Kindererziehung und Ausbildung, Arbeit und Freizeit, Wissenschaft und Kultur - alles ist den Normen und Regeln des Regimes unterworfen. Disziplin und Sauberkeit, Unterordnung und Arbeitswille sind die höchsten Ziele der «Volkserziehung», welche in Nordkorea als eine der wichtigsten Staatsaufgaben gilt.

Die «Erziehung» beginnt schon mit dem 77. Lebenstag eines Kindes in der staatlichen Kinderkrippe und setzt sich über den Kindergarten und die obligatorische elfjährige Grundschule fort. Nach dem Verlassen der Schule bestimmt der Staat den weiteren Weg des Schulabgängers gemäss seinen Qualifikationen und den Anforderungen des staatlichen Wirtschaftsplans. Entweder geht er in die Landwirtschaft oder in die Industrie, um als Facharbeiter ausgebildet zu werden. Oder er geht auf die Hochschule - sofern er nicht zuerst seine drei- bis vierjährige Militärzeit absolvieren muss.

An der Kim Il Sung-Universität in Pyongyang, welche 1946 vom Staatspräsidenten an einem persönlich ausgewählten Platz gegründet wurde, studieren an 12 Fakultäten mit 80 hervorragend ausgerüsteten Instituten gleichzeitig etwa 40 000 Studenten. Das Ziel dieser Universität sei es, so Kim Il Sung, «hervorragende Kader der Nation auszubilden, die neben einem hohen Mass an wissenschaftlichen Fähigkeiten auch über ein grosses politisches Bewusstsein verfügen und dadurch in der Lage sind, sich hingebungsvoll für das Wohlergehen und die Entwicklung der Nation einzusetzen».

Neben Schule und Hochschule spielen zahlreiche grosse Massenorganisationen eine wichtige Rolle in der «Erziehung» des Volks. Das beginnt mit der Pfadfinderorganisation, der alle Kinder vom 8. bis zum 14. Lebensjahr angehören, und setzt sich über verschiedene Jugendorganisationen fort bis zu den Gewerkschaften, den Frauenorganisationen und den Zirkeln zum Studium der Schriften Kim Il Sungs. In diesen Massenorganisationen, welche vollständig die Richtlinien der kommunistischen Partei vertreten, sollen die Mitglieder lernen, die ihnen vom Staat gestellten Aufgaben freiwillig und mit Begeisterung zu erfüllen.

Im übrigen steht die gesamte Presse, das Radio und das Fernsehen unter der Aufsicht des Staats, und nur die staatliche Zentrale Pressestelle darf innerhalb des Lands Nachrichten verbreiten. So spielen auch die Massenmedien bei der «Erziehung» der Bevölkerung eine äusserst wichtige Rolle.

Kim Il Sung hat es ausgezeichnet verstanden, die traditionelle, auf konfuzianischer Lehre fussende Gesellschaftshierarchie durch seine Parteihierarchie zu ersetzen. So kommt es, dass die Bevölkerung heute - zu ehrerbietiger Zurückhaltung gegenüber allen höhergestellten Personen erzogen - widerspruchslos die enorme Kluft akzeptiert zwischen dem «normalen» Volk und den höheren Parteifunktionären, die sich nur in staatseigenen Limousinen bewegen, in speziellen «Diplomatenläden» einkaufen und im Theater eigene Eingänge benutzen. Auch für das Phänomen des übersteiger ten Personenkults um Kim Il Sung scheint der Schlüssel im Nachwirken der jahrtausendealten konfuzianischen Ethik zu liegen.

All dies soll keinesfalls heissen, dass es der nordkoreanischen Bevölkerung materiell schlecht geht. Unter Kim Il Sungs Führung erzielte Nordkorea rasche Fortschritte beim Wiederaufbau des Lands nach dem Koreakrieg und bei der Um wandlung des einstigen Agrarlands in einen Industriestaat (was bereits mit der japanischen Besetzung begonnen hatte). Der Staat, der laut Verfassung die Verantwortung für das materielle Wohlbefinden seiner Bürger trägt, erfüllt diese Aufgabe sehr gut. So sorgt er für billigen Wohnraum, gewährt massive Nahrungssubventionen und leistet Zuschüsse für Bekleidung an Studenten und Kinder. Die werktätige Bevölkerung hat alljährlich Anrecht auf einen mehrwöchigen bezahlten Urlaub. Arbeitende Mütter erhalten einen Mutterschaftsurlaub von 77 Tagen. Bei Krankheit oder Unfall ist Lohnfortzahlung die Regel. Der bezahlte Ruhestand ist bei Männern nach dem 60., bei Frauen nach dem 55. Lebensjahr möglich. Der Staat sorgt für Waisenhäuser und Altenheime. Und die Benutzung des Gesundheitsdienstes ist ebenso kostenlos wie der gesamte Schulbesuch.

Der Preis, den die Nordkoreaner für diesen nicht unbeachtlichen materiellen Wohlstand bezahlen müssen, ist jedoch ausserordentlich hoch und heisst Verlust jeglicher Individualität und persönlichen Freiheit.
 

Nachtrag 1998:
 

Um sein Lebenswerk über den eigenen Tod hinaus zu bewahren, bestimmte Kim Il Sung 1992 seinen erstgeborenen Sohn, Kim Jong Il, zum «Thronfolger». Die Revolution, so liess er verlauten, werde frühestens nach einer weiteren Generation vollendet sein. Und wer könnte besser mit seinen Gedanken vertraut sein, wer könnte vertrauenswürdiger und loyaler sein als sein leibhaftiger Sohn?

Tatsächlich trat diese erste dynastische Erbfolge in der Geschichte des Kommunismus auch ein: Nach dem Tod seines Vaters Kim Il Sung im Jahr 1994 hatte der öffentlichkeitsscheue Kim Jong Il, über dessen Eigenschaften so gut wie nichts bekannt ist, zunächst den Oberbefehl über Nordkoreas Armee übernommen. Dann hörte man drei Jahre lang kaum mehr etwas von ihm. Kim Jong Il wolle eine dreijährige Trauer für seinen Vater befolgen, hiess es aus offiziellen nordkoreanischen Kreisen. Die westlichen Nordkorea-Experten waren hingegen der Ansicht, dass «der junge Kim das Denkmal seines Vaters nicht so schnell vom Sockel stossen konnte, ohne seine eigene Legitimation zu gefährden». Wie auch immer: Im Herbst 1997 wurde Kim Jong Il zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei ernannt, und es dauert wohl nicht mehr lange, bis er auch den Titel des Staatspräsidenten tragen wird. Damit wäre dann der von Kim Il Sung rechtzeitig in die Wege geleitete Machttransfer komplett ­ und die Chance auf eine politische Erneuerung Nordkoreas vorerst vertan.

Ein unvorhersehbares «Hindernis» konnte Kim Il Sung seinem Sohn Kim Jong Il allerdings nicht aus dem Weg räumen: Obschon der Staat laut Verfassung die Verantwortung für das materielle Wohlbefinden seiner Bürger trägt ­ und dies während der Amtszeit von Kim Il Sung auch umfänglich tat ­ geht es der nordkoreanischen Bevölkerung heute materiell miserabel. Hunger geht um. Die täglichen Reisrationen, welche die Nordkoreaner seit Jahrzehnten zweimal monatlich bei den Behörden abholen, sind von 800 Gramm auf 200 gekürzt worden. Fleisch gibt es nicht, Gemüse selten. Wer Grünzeug essen möchte, muss in die Wälder gehen und Wurzeln sammeln. Erst suchten 1995 und 1996 Flutkatastrophen, ausgelöst durch verheerende Regenfälle, das Land heim und vernichteten fast die gesamte Reisernte. Dann bewirkte 1997 eine ungewöhnliche Dürre schlimme Missernten auf den Feldern.

Ohne Vorräte, ohne Devisen für Importe und ohne Rückendeckung durch den einstigen «Ostblock» hat Nordkorea nun erstmals in seiner Geschichte den Westen um Hilfe bitten müssen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wie auch Japan und Südkorea, ja selbst der Klassenfeind USA, helfen. Pyongyang ist tief gedemütigt ­ umsomehr, als es mangels moderner Maschinen, Energie und Mineraldünger zur Wiederherstellung der Agrarproduktion zweifellos noch geraume Zeit auf ausländische Unterstützung angewiesen sein wird. Nordkorea vermag seine Abschottungspolitik nicht weiter fortzuführen ­ was manche jetzt auf die überfällige Öffnung des Regimes hoffen lässt.



Stichwort - Informationen

Nordkoreas Hauptstadt Pyongyang (deutsch auch «Pjöngjang»), am Unterlauf des Taedong Gang gelegen, ist eine moderne Stadt, welche nach den schweren Zerstörungen im Koreakrieg vollständig neu aufgebaut wurde. Das Monument mit der roten Flamme an der Spitze, welches das Stadtbild Pyongyangs beherrscht, ist 170 Meter hoch und symbolisiert die «Juche» genannte nordkoreanische Parteiideologie, welche die feste Entschlossenheit zur politischen Unabhängigkeit und zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit beinhaltet.

Um nicht durch den Zwang zu Treibstoffimporten in eine allzu starke Abhängigkeit vom Ausland zu geraten, erlaubt die nordkoreanische Regierung den Privatbesitz von Autos ausser für hochgestellte Parteifunktionäre nicht. Die grosszügig angelegten Strassen Pyongyangs sind darum nur schwach und hauptsächlich von Militärfahrzeugen, öffentlichen Bussen und Staatskarossen befahren.

Arbeitende Nordkoreaner haben Anrecht auf zwei bis vier Wochen Ferien pro Jahr. Viele von ihnen verbringen ihren Urlaub in den reizvollen Berglandschaften des Nordostens, wo mancherorts grosse Feriendörfer erstellt wurden. Beliebt ist aber auch ein Aufenthalt am Meer, so etwa in Wonsan, einem bekannten Badeort mit langem Sandstrand an Nordkoreas Ostküste.

Disziplin, Sauberkeit, Unterordnung und Arbeitswille sind die höchsten Ziele der «Volkserziehung», welche die nordkoreanischen Bürger von klein auf und ihr Leben lang erhalten. Massenveranstaltungen und Uniformen spielen im Rahmen dieser sozialistischen Schulung eine wichtige Rolle: Sie tragen wesentlich zur Unterdrückung etwaiger Individualitäet im Denken und Handeln des Einzelnen bei.

Nordkoreas Staatschef heisst seit 1948 Kim Il Sung, dessen Leben und Wirken bereits zu Lebzeiten zu einer grossartigen Legende aufgebaut worden sind. Zum Ritual des Personenkults, der um Kim Il Sung getrieben wird, gehören nicht zuletzt auch Verbeugungen vor seinem Bildnis wie etwa dieser aus weissem Marmor geschaffenen, überlebensgrossen Statue im «Museum der Völkerfreundschaft».

Der «Ort der Begegnung» Panmunjom liegt direkt an der Grenzlinie zwischen Nord und Südkorea. Mitten durch die vier Baracken, in denen seit 1971 regelmässig ergebnislose Verhandlungen zwischen den beiden verfeindeten Korea stattfinden, verläuft als niedriger Betonsockel die Grenzlinie. Die vordere Seite der Baracken ist nordkoreanisches Territorium; die hintere Seite gehört zu Südkorea.

Stichwortinformationen: ursprüngliche Bildlegende zu Stichwortinformation abgeändert (ohne Sinnveränderung)
(Thomas Schneider)



    © Markus Kappeler


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